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Der etwas andere Einblick in die Nürnberger Kultur-Szene (Folge I): Was macht eigentlich eine Kulturreferentin?
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Da schau’ her – die Abnahme einer Erweiterung: Kulturreferentin Julia Lehner lässt sich von Industriekultur-Museumsleiter Matthias Murko das neue Konzept erklären.
Berny Meyer Da schau’ her – die Abnahme einer Erweiterung: Kulturreferentin Julia Lehner lässt sich von Industriekultur-Museumsleiter Matthias Murko das neue Konzept erklären.

NÜRNBERG - Der etwas andere Einblick in die Nürnberger Kultur-Szene (Folge I): Was macht eigentlich eine Kulturreferentin?

Das „Meyers Lexikon Online“ definiert einen Referenten als „zuständigen Sachbearbeiter in einer Dienststelle, dem Referat“. Hm. Sachbearbeiter. Dienststelle. Klingt unfassbar unsexy. Und gar nicht nach Kultur, die wiederum, das kann man sagen, sexy und mit das Großartigste ist, in allen Facetten, was es auf diesem Planeten gibt. Bleibt der Bastard aus der Paarung von sexy und unsexy, der Titel „Kultur-Referent“. Dieser Titel wird in Nürnberg von einer „-in“ getragen. Sie heißt Julia Lehner, hat über mittelalterliche Mode eine Doktorarbeit geschrieben, und seufzt: „Man sieht immer nur die Fassade“.

Zwischen großen Linien und dem Einklang mit der Politik

Man sieht ihren blonden Kopf auf Vernissagen, Lesungen, in Museen und ab und zu auch auf Konzerten, sieht sie nicken und lächeln und niemandem zu nahe treten. Sie sagt: „Was soll ich denn machen? Ich muss doch zuhören. Wenn einer mit mir redet und hat ein Anliegen, dann ist das für den gerade die wichtigste Sache der Welt.“ Abgesehen vom Zuhören und Netzwerkern ist es ihr Job „die großen Linien vorzugeben und das dann mit der Politik in Einklang zu bringen“ – denn der Stadtrat gibt der Abteilung Kultur das Geld. Momentan sind das rund fünf Prozent des Stadthaushaltes. Mit dem Geld arbeiten die acht „Kultur“- (schon wieder!) „-Dienststellen“ unter Julia Lehner. Das sind beispielsweise das Amt für Kultur und Freizeit, die Stadtbibliothek, das KunstKulturQuartier und die Museen der Stadt.

Planen beim Schlendern

Und weil das so viele Dienststellen sind, so viele Menschen (über 500) und dabei ganz schön viel Geld bewegt wird, gibt es eben die Oberaufseherin. Und in der Funktion hat die bratwurstsemmelliebende Kulturchefin Nürnbergs „fünf bis sechs Termine pro Tag“ – sie muss ja alle Seiten miteinander in Verbindung bringen, alte Projekte abschließen, neue anstoßen und irgendwie den Überblick behalten, über das Geld, Erfolge und Misserfolg. Zum Beispiel an diesem Mittwoch. Um 9.20 Uhr trifft sie sich mit dem Direktor des Museum Industriekultur neben der Tafelhalle. Innerhalb von 20 Minuten wird die neue Ausstellungserweiterung besprochen, und man plant beim Schlendern zum Ausgang in die Zukunft hinein, ein „Hands-On“-Museum, in dem Kinder und Jugendliche mit ihren Händen etwas bauen oder erfahren können.

Nürnberg soll „zum Inbegriff des Kinder- und Schultheaters werden.“

Dann fährt ein dunkler BMW Julia Lehner zurück ins Rathaus („Das Kulturrathaus“, wie sie sagt). Dort trifft sie bereits um 10 Uhr den Schultheater-Macher Dieter Linck. Es geht um die Gründung der Akademie für Schultheater und Theaterpädagogik auf dem ehemaligen AEG-Gelände. Die soll bereits im Mai bei einem Schultheater-Kongress bekannt gegeben werden. Und da hätte Dieter Linck gerne, dass die Kulturreferentin ein Grußwort spricht. Und, ach ja, vielleicht auch noch einen kleinen Zuschuss? So geht das also, in den Kultur-Kreisen. Ganz schön raffiniert, diese Theatermacher. Julia Lehner sagt: „Das muss ich erst mal sehen, mit dem Zuschuss, wie unser Budget aussieht.“ Ansonsten freut sie sich aber über die Initiative. Denn nach ihrem Willen soll Nürnberg „zum Inbegriff des Kinder- und Schultheaters werden.“ Das ist eines ihrer Ziele: Die „kulturelle Bildung“ voranzutreiben, gerade bei Jugendlichen. „Man muss die Leute abholen, mitnehmen“, sagt Julia Lehner.

Gegen die "nichtmaterielle Kinderarmut"

50 Minuten später drückt Reiner Prölß, Referent für Jugend, Familie und Soziales, bei einem Gespräch mit Julia Lehner die Dringlichkeit des „Abholens“ ziemlich deprimierend aus: „Die vorherrschende Diskussion der Musikhochschule ist: ,In welchem Gebäude sitze ich?’ Während Tausende Kinder nicht einmal wissen, wie eine Geige aussieht.“ Er will deshalb bei der Bekämpfung der „nichtmateriellen Kinderarmut“ die Unterstützung der Kulturreferentin – die natürlich gerne mitmacht.

Plan um Pläne zu machen

Sie schlägt Anknüpfungspunkte zwischen ihren Mitarbeitern und denen des Sozialreferats vor, sozusagen ein Plan, um einen Plan zu machen. Etwas unkonkret, möchte man meinen. Aber so funktioniert das wohl, im städtischen Kulturreferat. Es gibt viele Pläne und viele Vorhaben, die noch im ideellen Kulturraum herumirrlichtern – wie die Verwirklichung des dritten Bauabschnitts des KukuQ, die Er- und Einrichtung der „Fränkischen Galerie“, die weitere Attraktivitätserhöhung des Doku-Zentrums, die Neu-Betonung des Themenkomplexes „Kaiser und Reich in Nürnberg“, sowie „als Traum: Ein Hands-On-Museum“.

Keine Reue und eine 60-Stunden-Woche

Damit sie ihre vielen Ziele erreicht, arbeitet die Kulturreferentin, die „es noch nie bereut hat, den Job angenommen zu haben“ rund 60 Stunden pro Woche. Auf Sitzungen und auf Vernissagen, Lesungen, in Museen und ab und zu auch auf Konzerten. Dort sieht man sie nicken und lächeln und niemandem zu nahe treten. Das ist schließlich Teil ihres Jobs. Martin Mai

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