Toter Bauer an die Hunde verfüttert: Mord-Fall wieder aufgerollt

Erschlagen, zerstückelt und an Hunde verfüttert – brutaler kann ein Verbrechen kaum mehr sein. Doch Überraschung: Jahre später taucht die Leiche des 2001 verschwundenen Bauern wieder auf – unversehrt. Nun muss sich das zweite Gericht auf die Suche nach der Wahrheit machen.
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Erst nach 8 Jahren tauchte die Leiche von Rudolf R. wieder auf - in seinem Mercedes, der bei Bergheim aus der Donau gezogen wurde.
dpa Erst nach 8 Jahren tauchte die Leiche von Rudolf R. wieder auf - in seinem Mercedes, der bei Bergheim aus der Donau gezogen wurde.

LANDSHUT - Erschlagen, zerstückelt und an Hunde verfüttert – brutaler kann ein Verbrechen kaum mehr sein. Doch Überraschung: Jahre später taucht die Leiche des 2001 verschwundenen Bauern wieder auf – unversehrt. Nun muss sich das zweite Gericht auf die Suche nach der Wahrheit machen.

Es wurde viel spekuliert, auch von Kripobeamten, Staatsanwälten und sogar Richtern – soviel steht schon einmal fest. Der Fall des 2001 verschwundenen Bauern aus Neuburg an der Donau sorgt seit fast einem Jahrzehnt für Schlagzeilen. Erst hieß es, seine Angehörigen hätten den Mann umgebracht und die zerstückelte Leiche den sieben Hofhunden zum Fraß vorgeworfen. Später war davon die Rede, der Mann könnte sogar als Schweinefutter geendet sein.

Seitdem der Tote im März 2009 aus einem in der Donau versenkten Auto geborgen wurde ist klar: nichts davon stimmt. Bislang ist noch nicht einmal bewiesen, ob es überhaupt jemals ein Verbrechen gab, oder ob es sich nicht nur um einen tragischen Unfall handelte. Ab Mittwoch (20. Oktober) muss nun das Landgericht Landshut den spektakulären Fall ganz neu aufrollen. Die Jugendkammer des Gerichts hat vorsorglich schon einmal 33 Verhandlungstage bis Ende Februar 2011 eingeplant. „Das ist nichts Alltägliches, das wird sicher in die Rechtsgeschichte eingehen“, sagt Gerichtssprecher Christoph Fellner.

Angeklagt sind in dem Prozess die Ehefrau des Landwirts, seine beiden zur angenommenen Tatzeit noch jugendlichen Töchter und der Freund der älteren Tochter. Sie waren 2005, fast vier Jahre nach dem Verschwinden des 52-Jährigen, vom Landgericht Ingolstadt wegen Totschlags beziehungsweise Beihilfe durch Unterlassen verurteilt worden. Basis des Urteils waren die teils makabren Geständnisse, insbesondere des Manns, während der Ermittlungen. Später wurden diese Aussagen allerdings allesamt widerrufen. Inzwischen sind alle vier Verurteilten wieder frei.

 Ihre Verteidiger streben nun in den neuen Prozess Freisprüche an. Etwas anderes ist für Klaus Wittmann, den Anwalt der Witwe, gar nicht denkbar. „Ich frage mich, wo im Moment der hinreichende Tatverdacht ist“, sagt er. „Diese ganzen Geständnisse sind null und nichtig, damit kann man nichts mehr anfangen.“

ass es überhaupt einmal objektiv falsche Geständnisse gab, die zur Theorie des „verfütterten Bauern“ führten, erklärt Wittmann damit, dass es sich bei den Beschuldigten um intellektuell recht einfache Menschen handelt. „Die Angeklagten waren über weite Teile der Vernehmungen ohne jeden rechtlichen Beistand“, betont der Rechtsanwalt. „Die waren den Polizeibeamten sozusagen schon ausgeliefert, und da wurde natürlich Druck gemacht.“

 Nach dem Verschwinden des Bauern im Oktober 2001 hatte die Polizei jahrelang ermittelt, auch ein Suizid oder ein Unfall schienen nicht ausgeschlossen. Dabei war immer wieder vermutet worden, dass der Mann mit seinem Auto in einem Weiher oder der Donau versunken sein könnte. Mehrfach gab es entsprechende Suchaktionen. Erst Anfang 2004 folgte die Festnahme der Verdächtigen.

 Vier Jahre nach dem Urteil folgte die Überraschung: Der Wagen mitsamt Leichnam wurde beim oberbayerischen Bergheim aus der Donau gezogen. Die Gerichtsmediziner konnten allerdings keine Todesursache feststellen. Die ursprüngliche Annahme, der Bauer sei mit einer Latte und einem Hammer erschlagen worden, erwies sich auf jeden Fall als falsch – der Schädel war unverletzt.

Nun folgte ein juristisches Tauziehen. Die Verteidiger beantragten die Wiederaufnahme des Verfahrens, die Staatsanwaltschaft wollte dies verhindern. Zunächst lehnte das nun zuständige Landshuter Gericht einen neuen Prozess ebenfalls ab. Die niederbayerischen Richter waren der Ansicht, die neuen Fakten erschütterten die alten Schuldsprüche nicht grundsätzlich. Das Münchner Oberlandesgericht (OLG) sah dies anders. Die Feststellungen zur Ausführung der Tötung in dem Ingolstädter Urteil beträfen wesentliche Tatsachen, von denen die Schuldsprüche abhingen, befand das OLG. Dadurch wurde eine neue Hauptverhandlung notwendig.

Nun werden die Richter aus Landshut versuchen zu klären, was wirklich geschah. Ob es allerdings gelingt, das Puzzle zu einem Gesamtbild zusammenzusetzen, ist mehr als fraglich. Anwalt Wittmann glaubt jedenfalls, dass es letztlich gar nicht um einen echten Kriminalfall geht. Er geht schlicht von einem Unfall nach einem Kneipenbesuch des 52-Jährigen aus: „Ich halte es für eine realistische Möglichkeit, dass er sich betrunken hat und dann mit seinem Auto in die Donau gerollt ist.“

dpa

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