Tödliche Sex-Droge für Jugendliche
Brüderpaar aus Hersbruck belieferte tausende Konsumenten mit der Synthetik-Droge GBL. Staatsanwalt: „Sie nahmen auch den Tod in Kauf“
NÜRNBERG Heute ab 9 Uhr stehen die wohl skrupellosesten Drogendealer Frankens vor Gericht – die Brüder Brian (34) und Michael L. (33) aus Hersbruck. Sie belieferten den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zufolge mehr als 4000 Jugendliche mit dem gefährlichen Wirkstoff Gammabutyrolacton (GBL), verdienten damit ein Vermögen. Was ihnen jedoch völlig gleichgültig war: Wer das flüssige Zeug schluckt, steht mit einem Bein bereits im Grab.
Eine Gratwanderung zwischen Rausch und Lebensgefahr
Ein jugendlicher Drogenkonsument, dem die Brüder einen Liter der GBL-haltigen Chemikalie verkauft hatten, brach nach der Einnahme von ein paar Tropfen bewusstlos zusammen und starb nur Stunden später auf qualvolle Weise. „Die unberechenbare Wirkung und die nicht kalkulierbare Dosierung des Stoffs sind das Problem. Ein Milliliter macht glücklich, zwei Milliliter machen müde und willenlos. Ein Tropfen zu viel – und man katapultiert sich ins Koma oder in den Tod“, sagte ein Nürnberger Drogenexperte zur AZ.
Auch die Polizei ist in Sorge. Behördensprecher Peter Grösch: „Die Droge, flüssiges Ecstasy, wird nach unseren Erkenntnissen auch in Nürnberg verwendet.“ Vor allem junge Menschen aus der Diskoszene wagen den risikoreichen Psycho-Trip ins Ungewisse. Die Anklageschrift gegen die beiden Brüder aus dem Nürnberger Hinterland ist ein schwer wiegender Beleg dafür.
Im Freibad in Erlangen zum Beispiel fiel ein Berufsschüler (17) nach der Einnahme von GBL, das die Brüder geliefert hatten, ins Koma und erlitt einen Herzstillstand. Vom Notarzt wurde er ins Leben zurück gerufen und landete auf der Intensivstation.
Ein Berufschüler (16) aus Höchstadt schluckte in einer Unterrichtspause fünf Milliliter und fiel bewusstlos um. Ein Jugendlicher (16) aus Altdorf brach vor dem Schulgebäude zusammen, kam ins Krankenhaus.
Viele Jugendliche landen auf der Intensivstation
GBL aus den Beständen der Angeklagten landeten unter anderem auch in den Händen von Jugendlichen aus Neunkirchen. Sie hatten den Stoff mit Limonade gemixt und getrunken. Alle drei landeten per Rettungswagen mit schweren Vergiftungserscheinungen im Krankenhaus.
Der Rechtsmediziner Jochen Wilske weist auf das enorme Suchtpotenzial der synthetischen Droge GBL hin. Eine Hamburgerin (19), die die Flüssigdroge per Nachnahme von den beiden Angeklagten geliefert bekam und mehrmals täglich eine Dosis davon schluckte, bekam dieses Problem hautnah zu spüren. Sie trat eine Entzugstherapie an – und litt fürchterlich. In der Anklageschrift steht: „Aufgrund von während des nun folgenden Entzugs auftretenden Angstattacken, Unruhe, unkontrollierten Muskelzuckens, Halluzinationen, Hyperventilation, Verwirrtheit, Sprachstörungen sowie Herzrasens war intensivmedizinische Behandlung mit zeitweiliger Fixierung wegen der Gefahr der Selbstbeschädigung erforderlich.“ Es dauerte Wochen bis die Auswirkungen des Entzugs nachließen.
Flüssig-Ecstacy ist deshalb bei Partygängern so beliebt, weil es in kleinen Dosen euphorisierend und sexuell anregend wirkt. Fiese Kriminelle benutzen es allerdings auch in höheren Dosen als K.o.-Tropfen für Vergewaltigungen. Sie schütten es unbemerkt in Getränke. Die Polizei hat schon mehrere Fälle registriert.
Brian und Michael L., die Tausende von Litern der Flüssigdroge im ganzen Bundesgebiet vetrieben haben sollen, sind unter anderem auch wegen fahrlässiger Tötung angeklagt. Nach Überzeugung der Nürnberger Staatsanwaltschaft nahmen sie den Tod ihrer Kunden billigend in Kauf.
Die Gewinne aus dem verbotenen Geschäften hat die Justiz bereits eingezogen – rund eine halbe Million Euro.
Helmut Reister
Mehr über die Gefahren von Liquid Ecstasy lesen Sie in der Print-Ausgabe Ihrer AZ am Dienstag, 7. Oktober.