Interview

Tegernsee-Kenner: Seine Geheimtipps überraschen sogar Einheimische

Eckart von Zons ist Heimatführer am Tegernsee. Welchen Ort er am liebsten mag, welche Geschichten er Besuchern erzählt und wann er seine Heimat noch mehr schätzen gelernt hat.
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Eckart von Zons ist Heimatführer am Tegernssee.
Eckart von Zons ist Heimatführer am Tegernssee. © Tegernseer Tal Tourismus GmbH

Der Tegernsee gehört zu Bayerns beliebtesten Ausflugszielen. Dorthin zieht es die Schönen und Reichen, aber auch "Normalos" genießen den Ausflug ins Tegernseer Tal. Eckart von Zons (63) ist seit 2021 Heimatführer an dem oberbayerischen Idyll. Im Dezember bietet die Tegernseer Tal Tourismus GmbH noch besondere Führungen an: "Advent, Advent – ein Lichtlein brennt" in Tegernsee am 20. Dezember von 11 bis 14 Uhr sowie "Tegernsee und das Bier“ am 19. Dezember (14 bis 16 Uhr). Mehr Infos und Anmeldung: www.tegernsee.bayern.

AZ: Herr von Zons, was ist denn Ihr liebstes Platzerl am Tegernsee? 
Eckart von Zons: Die "Hainzenhöhe". Sie liegt oberhalb von Kaltenbrunn und bietet einen besonderen Blick von Norden über den ganzen See auf die Berge.

Der Tegernsee ist sehr beliebt und bekannt. Gibt es überhaupt noch echte Geheimnisse, die nur wenige kennen? 
Ja! Ich habe selbst eine Radl-Tour rund um den See ausgearbeitet. Sie befasst sich mit den geheimen Kleinoden, die nicht in den klassischen Ortsführungen enthalten sind. Es gibt aus meiner Sicht immer noch kleine Stellen, die selbst Einheimischen nicht bekannt sind.

Selbst für Einheimische gibt es noch einiges zu entdecken

Welche zum Beispiel? 
Etwa der alte Brunnen, der versteckt in der Ringbergstraße in Rottach-Egern steht. Er ist aus den 1920er-Jahren. Was auch missachtet wird: In Wiessee gibt es mitten im Ort neben der evangelischen Kirche ein kleines Moor. Oder die Gedächtniskapelle von Georg Fischbacher auf dem Tegernseer Höhenweg: Dort hängen vier Gedenktafeln. Man kennt zwar die Tafeln, die Namen und wann die Menschen gestorben sind, aber die Geschichten dazu, warum genau nur die vier Familienmitglieder eine Gedenktafel haben, kennt kaum jemand.

Berge, Wasser und dazwischen Rottach-Egern.
Berge, Wasser und dazwischen Rottach-Egern. © Rosemarie Vielreicher

Die müssen Sie jetzt natürlich erzählen!
Die Kapelle hat der Bauer aus Dank aufgestellt, weil vier seiner fünf Söhne gesund aus dem Krieg zurückkehrten. Die Gedenktafeln wiederum sind für ihn, seine Enkelin und zwei Schwiegersöhne. Diese vier Familienmitglieder sind alle durch einen Fahrzeug-Unfall ums Leben gekommen. Durch einen Unfall mit einem Ochsengespann, einen Traktorsturz, einen Motorrad- und einen Autounfall.

Das sind seine liebsten Geschichten als Heimatführer

Was sind Ihre liebsten Erzählungen?  
Ich habe mehrere Lieblingsgeschichten. Was immer wieder gut ankommt, ist die Sage von der Ringseeinsel, die einzige Insel im Tegernsee. Ich fange immer ganz ernst an: "Es ist eine geophysikalisch hochinteressante Geschichte ...", dann folgt aber eine Schöpfungssage mit dem Teufel – das lässt die Gäste schmunzeln. Wenn ich in Tegernsee eine Führung leite, gehe ich auch am Grab des bayerischen Heimatdichters Karl Stieler vorbei und trage ein kleines Wirtshaus-Gedicht von ihm vor. So versuche ich, nicht nur Fakten, Daten, Könige und die Klostergeschichte abzuhandeln.

Tegernsee: Ursprung des Namens ist umstritten

Woher kommt eigentlich der Name Tegernsee?
Tegernsee kommt von "Tegarin seo" (Althochdeutsch für "Großer See", d.Red) Über die Herkunft des Wortes streiten sich die Experten. Die einen sagen, es ist ein althochdeutsches Wort. Die anderen sehen einen keltischen Ursprung, damit wäre die Benennung des Sees viel älter.

Welche Meinung vertreten Sie? 
Ich persönlich denke, der See muss schon vor der Gründung des Klosters einen Namen gehabt haben. Deswegen glaube ich eher an die keltische Variante.

Adventszauber am Tegernsee.
Adventszauber am Tegernsee. © Tegernseer Tal Tourismus GmbH/Dietmar Denger

Im Advent gibt es noch eine besondere Führung am Tegernsee. Was erwartet Besucher? 
Es ist eine etwas verkürzte Ortsführung mit adventlichen Einlagen. Sie dauert drei Stunden, weil wir zwischendurch auf einen Glühwein oder Punsch einkehren. Die Führung ist sowohl informativ als auch besinnlich und auf Weihnachten einstimmend.

Was macht den Advent am Tegernsee für Sie aus? 
Nicht nur im Advent, jeder Besuch am Tegernsee ist schön. Was im Advent ein "Unique Selling Point" des Tegernsees ist: die drei Weihnachtsmärkte, die mit einem Schiff verbunden sind. Das gibt es sonst, soweit ich weiß, in Deutschland und Österreich nirgends.

Auch die Führung "Tegernsee und das Bier" gibt es im Advent noch einmal. Anlass ist das Jubliläum der Schank-Konzession.
Auch die Führung "Tegernsee und das Bier" gibt es im Advent noch einmal. Anlass ist das Jubliläum der Schank-Konzession. © Tegernseer Tal Tourismus GmbH/Thomas Plettenberg

Jubiläum: 350 Jahre Schank-Erlaubnis

Am kommenden Freitag findet auch noch eine Bier-Führung statt. Wie passt die zum Advent? Eigentlich denkt man in dieser Zeit eher an Glühwein.
(lacht) Das ist ein zeitlicher Zufall. In diesem Jahr haben wir in Tegernsee 350 Jahre Konzession zum Bierverschleiß gefeiert. Denn im Jahr 1675 ist die Schank-Erlaubnis von Holzkirchen nach Tegernsee geholt worden. Das ist der Anlass der Führung, die es das ganze Jahr über gab.

Die Lage, die Kombination aus See und Berg, ist in Oberbayern fast einzigartig. Wir haben sieben Jahre in der Schweiz gelebt. Wenn man mal wegzieht, merkt man, was man hatte.

Was sollte man generell als Besucher vom Tegernsee mitnehmen?
Die Lage, die Kombination aus See und Berg, ist in Oberbayern fast einzigartig. Wir haben sieben Jahre in der Schweiz gelebt. Wenn man mal wegzieht, merkt man, was man hatte. Seit wir wieder zurück sind, genießen wir es hier noch viel intensiver und mit viel offeneren Augen. Ich empfehle auch Besuchern, die Schönheit der Landschaft wahrzunehmen. Wenn man im Ort Tegernsee ist, sollte man zudem etwas zur Klostergeschichte hören und Sankt Quirinus anschauen. Die Kirche ist durch die Fresko-Malerei von Georg Asam einmalig. Aber nicht nur Tegernsee selbst, sondern jeder Ort hat etwas Schönes. Gmund steht oft im Schatten der anderen Orte, aber ich führe gerne in Gmund. Es hat seinen eigenen Charme.

Sogar der Nobelpreisträger für Literatur, Thomas Mann, hat in Gmund am Tegernsee ein Denkmal.
Sogar der Nobelpreisträger für Literatur, Thomas Mann, hat in Gmund am Tegernsee ein Denkmal. © imago/Hanna Wagner

Also ist Gmund ein kleiner Geheimtipp?
Auf jeden Fall! Gmund ist meiner Meinung nach sehr unterschätzt!

Was ist dort zum Beispiel erwähnenswert?
Etwa die Badestelle am Nordufer neben dem Yachtclub, weil man auch von dort aus so schön über den ganzen See auf die Berge schaut, und die schönen alten Bauernhäuser im Ortsteil Gasse. Geschichtlich betrachtet hat Gmund berühmte "Söhne" wie Max Obermayer ("Rindererfinder"), Johann Mannhardt ("Turmuhrenweltmeister") oder Hanns Reifenstuehl (Erbauer der weltweit ersten Pipeline).

"Die Klosterbibliothek war größer als die des Vatikans"

Sie haben auch die Klostergeschichte in Tegernsee angesprochen. Können Sie diese kurz zusammenfassen? 
Über 1000 Jahre hatte das Kloster Bestand. Es war nicht nur irgendein Kloster in Deutschland, sondern DAS Kloster. Es war sehr groß, sehr reich und reichsunmittelbar. Die Mönche haben in Bildung und Literatur investiert: Die Klosterbibliothek war damals eine der größten in Europa, sogar größer als die des Vatikans oder der Medici in Florenz. 1803 ließ die Säkularisation das Kloster aufheben.

Das ehemalige Kloster Tegernsee.  Eckart von Zons zufolge hatte es einst eine größere Bibliothek als der Vatikan oder die Medici in Florenz.
Das ehemalige Kloster Tegernsee. Eckart von Zons zufolge hatte es einst eine größere Bibliothek als der Vatikan oder die Medici in Florenz. © imago/Ulrich Wagner

In diesem Jahr hat die Tegernsee-Doku "Reichtum frisst Brauchtum" für Aufsehen gesorgt. Wie stehen Sie dazu? 
Aus meiner Sicht wurde es ziemlich überspitzt dargestellt, etwa auch die Aussage übers Stammtisch-Sterben im Bräustüberl. Das ist schlicht eine Falschaussage und nicht wahr. Ich bin selber Mitglied an zwei Stammtischen. Ich glaube auch nicht, dass der Reichtum das Brauchtum frisst. Wenn die Schickimickis aus München ihren Almabtrieb mit Champagner feiern, hindert das doch zum Beispiel die Kreuther nicht an ihrem Leonhardifest. Das Einzige, was ein Stück weit ein echtes Problem darstellt, aber in der Doku etwas zu kurz kam, sind die Immobilien- und Mietpreise rund um den See. Diese ermöglichen es den jungen Menschen kaum, hierzubleiben. Sie ziehen weg und dadurch fehlt Nachwuchs in den Vereinen. Auch das Thema Erben spielt eine Rolle. Das Erbschaftsrecht in Deutschland ist ein Einheitsrecht. Es spielt keine Rolle, ob eine Immobilie an der tschechischen Grenze, in Görlitz, Flensburg oder am Tegernsee steht. Für 400.000 Euro (Freigrenze für Kinder; d. Red.) erbt man  – überspitzt formuliert – am Tegernsee nur den Garten. Die Folge: Die Leute müssen das Erbe verkaufen, um die Erbschaftssteuer bezahlen zu können.

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