Teenies als Richter? Wissenswertes über Schülergerichte
Schülergerichte bieten Jugendlichen die Chance, Verantwortung zu übernehmen: Statt nur zu bestrafen, stehen Wiedergutmachung, Einsicht und soziale Gerechtigkeit im Mittelpunkt.
Teenagern ist die Meinung Gleichaltriger oft besonders wichtig. In den sogenannten Teen Courts müssen sich jugendliche Täter daher missbilligenden Reaktionen von Altersgenossen stellen - das ist nicht einfach, aber nach Expertenansicht gut geeignet, junge Straftäter vom Unrecht ihrer Tat zu überzeugen und sie zum Umdenken zu bewegen.
Vor 25 Jahren wagen sich in Aschaffenburg die ersten Schüler sowie Staatsanwaltschaft und Polizei an das Thema - und sind damit Vorreiter in Deutschland.
Welche Aufgaben und Ziele hat ein Schülergericht?
"In Teen Courts stellen sich junge Straftäter einem Gremium aus drei Schülerrichtern mit dem Ziel, gemeinsam und auf Augenhöhe eine erzieherische Maßnahme zu erarbeiten", erklärt eine Sprecherin des Justizministeriums. "Dadurch soll eine höhere Akzeptanz erreicht werden." Das Gespräch mit dem Verdächtigen wird am runden Tisch geführt. Auf einen förmlichen Gerichtscharakter der Sitzung wird bewusst verzichtet.
Welche Straftaten werden vor Schülergerichten verhandelt?
Ob ein frisiertes Mofa, Graffiti-Schmierereien, Haschischkonsum, Fahren ohne Führerschein oder Diebstahl - geständige Jugendliche, die sich freiwillig auf eine Bestrafung durch das Schülergericht einlassen, können den Gang vor den Jugendrichter und sogar einen Eintrag ins Strafregister vermeiden.
Obacht: Es geht hierbei um Straftaten, bei denen es keine Opfer gibt. Darauf weist der Verein Hilfe zur Selbsthilfe in Aschaffenburg hin, der das Projekt in der Stadt am Untermain betreut.
Welchen Fragen müssen sich die Verdächtigen stellen?
Zum einen geht es um den Tathergang: Wie kam es zu der Tat? Wie hat sich der mutmaßliche Täter oder die Täterin dabei gefühlt? Was hat zum Tatgeschehen beigetragen? Wie haben andere darauf reagiert?
"Gleichaltrige finden oft leichter als Erwachsene Zugang zu jugendlichen Beschuldigten. Sie können so teils besser Hintergründe und Motive einer Tat ergründen", sagt die Ministeriumssprecherin.
"Aus unserer Sicht gibt es nur Vorteile: Die Jugendlichen müssen nicht vor einem Jugendrichter erscheinen und haben auch nicht das Risiko einer Verurteilung", erklärt Oberstaatsanwalt Marco Schmitt, der das Projekt in Aschaffenburg koordiniert. Das Gespräch erfolge auf "neutralem Boden", also nicht in einer Schule und nicht bei der Justiz. Zudem entstünden für die Beschuldigten mit dem Verfahren keine Kosten.
Welche Strafen dürfen Schülergerichte verhängen?
Schülerrichter haben keine richterlichen Kompetenzen. Sie können daher kein Urteil verkünden, keine Jugendstrafe oder richterliche Sanktion festsetzen und keine Strafe vollstrecken. "Sie können aber eine erzieherische Maßnahme vorschlagen", sagt Schmitt und nennt Beispiele: Sozialstunden, Verfassen von Aufsätzen über das eigene Verhalten, Basteln von Collagen, Zeichnungen zu den Taten oder Entschuldigungsbriefe.
Auch die zeitweise Abgabe des Handys ist laut Ministerium denkbar - für viele Jugendliche wäre das wohl eine richtige Strafe. Smartphones sind für Teenager heute weit mehr als nur ein technisches Gerät, sondern ein zentraler Bestandteil ihres Alltags, etwa zur Selbstinszenierung.
Wo in Bayern gibt es Schülergerichte und wer darf "Richter" oder "Richterin" sein?
Nach Angaben des AWO-Bezirksverbands Unterfranken gibt es bayernweit 14 Schülergremien dieser Art, etwa in Ingolstadt, Memmingen, Coburg, Deggendorf und München. Im Januar 2026 kommt nach Ministeriumsangaben ein neuer Teen Court in Bayreuth hinzu. 2023 haben Schülergerichte bayernweit etwa 320 Fälle bearbeitet, 2024 ungefähr 375.
Schülerrichter sind meist Jugendliche im Alter von 14 bis 20 Jahren, die Beschuldigten 14 bis 18 Jahre alt, höchstens jedoch 20. In jedem der Projekte wird mit mehreren Schulen zusammengearbeitet. Besondere Qualifikationen brauchen die Teilnehmer nicht.
Das Schülergremium ist freiwillig in seiner Freizeit dabei und bekommt auch kein Geld für seine Arbeit. Die Mädchen und Buben werden laut Ministerium durch Schulungen auf ihre Tätigkeit vorbereitet. Wenn die gemeinsam mit dem Beschuldigten erarbeiteten erzieherischen Maßnahmen erfolgreich umgesetzt werden, kann das Verfahren durch die Staatsanwaltschaft eingestellt werden.
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