Superstar für die Ewigkeit

Wie Nürnbergs neue Schiller-Inszenierung „Maria Stuart“ statt der Verklärung zu einem Bet-Duell kommt: Regisseur Otteni im Gespräch.
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Bodenberührung für Schiller: Regisseur Stefan Otteni probt mit Julia Bartolome für die Neuinszenierung von „Maria Stuart“.
Marion Bührle Bodenberührung für Schiller: Regisseur Stefan Otteni probt mit Julia Bartolome für die Neuinszenierung von „Maria Stuart“.

NÜRNBERG - Wie Nürnbergs neue Schiller-Inszenierung „Maria Stuart“ statt der Verklärung zu einem Bet-Duell kommt: Regisseur Otteni im Gespräch.

Es ist 14 Jahre her, aber die letzte Nürnberger Inszenierung von Schillers „Maria Stuart“ steckt noch im Langzeitgedächtnis vieler Theaterfreunde. Jutta Richter-Haaser (Maria) und Patricia Litten (Elisabeth) spielten da das Königinnen-Duell mit dem „Kopf ab“-Finale in Holger Bergs gekonnt klassisch gelenkter, am Ende kitschig verklärender Inszenierung. Jetzt führt Stefan Otteni, der hier mit Schillers Lustspiel „Der Parasit“ Erfolg hatte, Regie und hat mit Julia Bartolome (Titelrolle) und Elke Wollmann das Charakter-Personal ganz anders gemischt. Am 18. April ist Premiere in der Kongresshalle, bis Ende Juni sind 17 Vorstellungen angesetzt.

AZ: Ist „Maria Stuart“ der typische Klassiker, auf den Sie gelauert haben?

STEFAN OTTENI: Ja, unbedingt. Ich liebe Schiller über alles, wollte dieses Stück längst inszenieren, aber man kann es eben nur machen, wenn die Konstellation mit den Schauspielern stimmt. Jetzt ist die Nürnberger Schiller-Quarantäne, die es nach dem Schwerpunkt der vorigen Direktion gab, vorbei – nun passt es.

Ihre Besetzung ist ungewöhnlich – entdecken Sie mit altersmäßig weit auseinander liegenden Schauspielerinnen etwa einen Generationskonflikt im Königinnen-Gefecht?

Mir kam es eher auf die Typen an. Julia Bartolome ist eine Maria Stuart, die keine Angst hat, auch unsympathisch zu spielen. Was sie zeigt, ist hart, nicht verhärtet unsinnlich, ist erotisch ohne ins Liebliche zu rutschen. Gegenspielerin Elke Wollmann zeigt die mächtige Elisabeth selbstbewusst und nimmt sogar das Missverständnis der Schroffheit in Kauf. Beide Figuren sind nicht einfach gut oder böse.

Aber eine davon fährt in den Himmel auf, weil die andere sie nach langen Gefängnisjahren doch noch aus Machtkalkül hinrichten ließ...

Genau dieser Deutschlehrer-Interpretation kann ich nicht folgen. Die These, dass da jemand durch seinen Tod zum Sieger wird, indem der Beichtvater die Maria Stuart zum lieben Gott durchreicht, scheint mir unglaubwürdig. Wir orientieren uns mehr an der grotesken Realität, in der sie sich für einen Nachruhm als katholische Ikone auftakelt und wie dann ein absurd hysterisches Bet-Duell das Ende einleitet.

Werden das die genannten Deutschlehrer etwa als Verfälschung Schillers bezeichnen?

Ich bezeichne es als Interpretation, denn im Gegensatz zu vielen Regie-Kollegen habe ich die Beicht-Szene nicht einfach gestrichen. Freilich ist es eher ein Herzausschütten als ein sakraler Akt. Uns interessiert der Mensch im Kerker, und wie er nach Gott fragt.

Und ihn also nicht findet?

Maria Stuart redet ganz schreckliche Dinge, wenn es um das angebliche Seelenheil geht. Das ist nicht weit entfernt vom Terrorcamp, wenn der Glaube in die Kategorie politischer Machtmittel rutscht, wo er nicht hingehört. Aber Religion ist der letzte Strohhalm, wenn man dem Tod nahe ist, oder wie sie es sagt „am Rande der Ewigkeit“.

Schillers Sprache steht unter Pathos-Generalverdacht. Wie lässt sich das auflösen?

Natürlich bleibt immer ein gewisses Maß an erhabener Theater-Künstlichkeit, aber der Sprach-Gestus, wo sich die Personen dauernd gegenseitig ins Wort fallen, ist absolut heutig. Da sind wir im Königshaus schnell bei der aktuellen Politikerrunde und bei hochgekrempelten Ärmeln, schließlich auch bei der ewigen Alternative zwischen Machiavelli oder Gutmensch.

Für Schiller war der historische Hintergrund wichtig. Ist er es denn noch?

Nur bei Maria, wenn sie sich als katholischer Superstar stilisiert. Ansonsten bleiben alle Darsteller zeitlos privat gekleidet. Auf der Bühne sind nur rollende Stühle und ein Steg ins Publikum schafft Gelegenheiten zum Abstand gegenüber der großen Szene.

Es geht um alles, um Freiheit, Politik, Kirche, Liebe, Frauen-Power und den Zusammenbruch der Ideale. Wo liegt Ihr stärkster Akzent?

Es ist wirklich ein Fass ohne Boden. Schiller, immer als Idealist beschrieben, ist ein Nihilist und lässt alle scheitern.

Und die Konstellation der Frauen im hochkarätigen Zicken-Krieg?

Sie hat bis heute in der Weltgeschichte keine Parallele, da hilft kein Gedanke an Frau Thatcher. Nach dem Tod von Maria Stuart ist Elisabeth bei uns ganz menschlich erleichtert. Die Sympathien der Zuschauer werden nicht eindeutig sein. Dieter Stoll

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