Süße Sarah (3): Ihre Eltern ließen sie verhungern

Der Notarzt findet die Dreijährige in ihrem Elternhaus in Thalmässing – das Mädchen ist abgemagert und apathisch. Zwei Tage später stribt das Kind im Nürnberger Klinikum. Die Familie war dem Jugendamt bekannt. Warum stellte es die Kontrollen ein?
von  Abendzeitung
Dieses Bild lässt frösteln: Patrick R. hält die kleine Sarah im Arm. Sie verhungerte.
Dieses Bild lässt frösteln: Patrick R. hält die kleine Sarah im Arm. Sie verhungerte. © abendzeitung

Der Notarzt findet die Dreijährige in ihrem Elternhaus in Thalmässing – das Mädchen ist abgemagert und apathisch. Zwei Tage später stribt das Kind im Nürnberger Klinikum. Die Familie war dem Jugendamt bekannt. Warum stellte es die Kontrollen ein?

THALMÄSSING Am Sonntag verlor die kleine Sarah den Kampf um ihr junges Leben: Das dreijährige Mädchen starb im Nürnberger Klinikum. Es ist verhungert.

Zwei Tage hatten die Mediziner um das Leben des Kindes aus Thalmässing (Mittelfranken) gekämpft. Am Freitagabend hatten die Eltern – ein 29-Jähriger und eine 26-Jährige – den Rettungsdienst alarmiert. Der Notarzt musste in der völlig verdreckten Wohnung nur einen Blick auf das bis auf die Knochen abgemagerte und apathische Kind werfen, um zu begreifen, wie ernst die Lage ist.

Die Kleine wog weniger als ein einjähriges Kind. In Nürnberg wurde Sarah obduziert. Das Ergebnis: Eigentlich war die Kleine kerngesund, Mangelernährung führte wahrscheinlich zu einem multiplen Organversagen.

"Der Körper zieht die Notbremse"

„Eigentlich braucht ein Kind in diesem Alter 1200 Kilokalorien. Im Hungerzustand ändert sich der gesamte Stoffwechsel“, beschreibt ein Nürnberger Arzt, der auf Ernährung spezialisiert ist, das Drama. „Der Körper zieht die Notbremse, greift eigene Reserven an.“ Zum Beispiel holt er sich lebensnotwendige Eiweiße aus der Herzmuskulatur. „Wenn ein bestimmter Punkt überschritten ist, stellen Herz, Nieren und Gehirn ihre Funktion ein. Dann kann man nichts mehr machen.“

Der Vater wurde verhaftet. Die Mutter liegt wegen einer Erkrankung, die nichts mit dem Zustand ihrer Tochter zu tun hatte, auf der Intensivstation – Notoperation. Sie soll vorher massiv an Gewicht verloren haben. In der Klinik wird sie von Polizisten bewacht, die ihr den Haftbefehl eröffnen werden, wenn sie wieder ansprechbar ist.

Bei dem Paar lebte noch ein weiterer vierjähriger Sohn, das Jugendamt am früheren Wohnort der Frau hatte der Mutter zuvor schon zwei ältere Kinder entzogen. Der Bub ist „pumperlgsund“ und lebt bei den Großeltern.

Letzter Kontakt mit dem Jugendamt im November

Sarahs Eltern waren 2005 nach Thalmässing gezogen – sofort überwachte sie seitdem das Jugendamt. „Zweimal in der Woche für zwei Stunden“ seien Betreuer in die Familie gegangen, sagte Jugendamtleiter Manfred Korth der AZ. Aber dann wurden die Besuche reduziert – den letzten Kontakt gab es im November 2008 – hat das Jugendamt in diesem Fall versagt?

„Alle Fachleute, die mit dem Fall befasst waren, haben die Familie nach drei Jahren Unterstützung als stabilisiert empfunden – es gab keine Gefahr für die Kinder“, so Korth. Auch beim letzten Besuch habe es „keine Anzeichen für eine Gefährdung des Kindes gegeben.“ Neun Monate später war die kleine Sarah tot – nach Ansicht der Experten muss sich ihr Sterben über Wochen oder gar Monate hingezogen haben.

„Kein Nachbar, kein Angehöriger hat sich bei uns gemeldet, um auf Sarahs Zustand hinzuweisen“, sagt Korth. „Für uns ist das der Super-Gau, das tut furchtbar weh.“ Für ihn ist völlig unverständlich, warum die Familie, die sich früher von uns helfen lassen wollte, diesmal nicht zu uns gekommen ist.“ Andrea Uhrig/ Susanne Will

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