Suche nach dem Killer-Virus

Auch das zweite Eisbären-Baby im Nürnberger Tiergarten überlebte nicht – die Obduktion soll Aufschluss bringen.
NÜRNBERG Drama im Tiergarten: Auch das zweite Eisbären-Baby ist tot! Seine sterblichen Überreste, sowie die des bereits am Montag verendeten Zwillings wurden am Samstagabend von Mitarbeitern des Tiergartens in der Bruthöhle entdeckt. Alle Umstände sprechen dafür, dass die Eisbärenjungen einem tödlichen Virus zum Opfer gefallen sind.
„Wir wissen noch nicht genau, woran die Tiere gestorben sind“, sagte Nürnbergs Tiergartendirektor Dag Encke zur AZ. Er hält allerdings eine Virusinfektion für sehr wahrscheinlich. Das würde auch die rapide Verschlechterung des Gesundheitszustandes innerhalb weniger Stunden erklären.
Zustand des kleinen Eisbären wurde immer schlechter
Am Freitagmorgen machte das zweite, noch lebende Eisbären-Baby einen putzmunteren Eindruck. Den Pflegern, die die Bruthöhle mittels einer Videokamera rund um die Uhr beobachteten, fiel zunächst nichts Ungewöhnliches auf. Das änderte sich dann aber gegen Mittag. Die überspielten Bilder aus der Bruthöhle machten deutlich, dass der kleine Eisbär zusehends schwächer wurde – und Mutter Vera sehr aufgeregt war. Dag Encke: „Sie hat die Höhle verlassen, erregt geschnaubt und auch ihr Nest umgebaut. Dann wurde sie jedoch wieder ruhiger, legte sich neben das Jungtier und schlief.“
Zu diesem Zeitpunkt, Freitagnachmittag, waren sich die Verantwortlichen des Tiergartens jedoch schon sicher, dass es im Eisbären-Gehege kein Happy-End geben würde. Auf einigen Bildern der Videoüberwachung war das Eisbären-Baby zu sehen. Es lag tot im Stroh. Daran konnte kein Zweifel bestehen.
Eisbären-Mutter Vera realisierte den Tod ihres Nachwuchses erst im Lauf des Samstags. Tiergartendirektor Encke beschreibt ihr Verhalten so: „Sie verließ hin und wieder ihre Höhle, kehrte aber stets zurück. Sie verhielt sich so, als ob sie nach ihrem Baby suchen würde. Am Samstagabend gab sie dann auf und entfernte sich weit von der Höhle. Wir konnten dann auch ohne erkennbaren Missmut von Vera die Bruthöhle betreten. Dort fanden wir im Stroh die beiden toten Jungtiere.“
Eisbärenzucht soll weiter gehen
Die Leichen der beiden Bären-Zwillinge werden heute zur Obduktion in die Tier-Pathologie des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) nach Erlangen gebracht. „Wir erhoffen uns davon Aufschlüsse über die genaue Todesursache“, erläuterte Encke das weitere Vorgehen. Er rechnet damit, dass das Ergebnis der Untersuchung noch im Lauf dieser Woche feststeht.
Für den Tiergartendirektor bedeutet der Rückschlag keineswegs das endgültige Aus der Eisbärenzucht in Nürnberg. Encke: „Es hat sich ja gezeigt, dass Vera durchaus eine gute Mutter ist. Sie hat die Jungtiere regelmäßig gesäugt und ausreichend mit Milch versorgt.“
Die Eisbären-Zwillinge waren am 21. November zur Welt gekommen. Vera ist auch die Mutter von „Flocke“.
Helmut Reister
Was die Nürnberger von dem Drama halten, und wie die Tradition der Zucht-Erfolge 2000 jäh endete, lesen Sie in der Print-Ausgabe Ihrer AZ am Montag, 15. Dezember 2008.