Stoppt endlich den Abholz-Wahnsinn!
Naturschützer sind alarmiert: Die Kahlschlagaktionen in Nürnberg nehmen zu – und ein Ende ist nicht in Sicht. Viele Bürger fühlen sich machtlos. Denn ihre grünen Rückzugsorte werden immer kleiner...
NÜRNBERG Verena Gawlinski ist verzweifelt. Bis März war ihre Diskothek „Der Cult“ am Ende der Dooser Straße am Autobahnkreuz Nürnberg/Fürth umwachsen von Bäumen und dichten Sträuchern. Jetzt ist das Gelände, das für Verena Gawlinski viel mehr als ein Arbeitsort ist, abgeholzt. „Die Dooser Straße war für uns immer eine Oase. Hierhin habe ich mich zurückgezogen, als ich letztes Jahr einen Burn-Out hatte.“ Jetzt geht der Blick auf die Autobahnzufahrt, die U-Bahn-Trasse und das Möbelhaus Mömax. Kein schöner Anblick. Noch schlimmer ist aber: Der Geruch der Kläranlage, die sich direkt vor der Haustür befindet, kommt jetzt ungebremst auf das Gelände. Ebenso der Lärm der Autos und der U-Bahn.
Für den Radikalschnitt ist die Autobahndirektion Fürth zuständig. Die versucht, zu beschwichtigen. Dienststellenleiter Dieter Meyer: „Die Bepflanzung an der A73 war überaltert. Die Maßnahme diente der Verkehrssicherheit. In zwei bis drei Jahren hat sich die Bepflanzung regeneriert.“ Für Verena Gawlinski und ihren Mann ist das kein Trost. Im Gegenteil: „Uns wurde schon viel versprochen.“
In Nürnberg fehlen 20.000 Bäume
Solche Kahlschlagaktionen häufen sich in den letzten Wochen. Am Wöhrder See wurden rund 100 Bäume umgesägt. Im gesamten Stadtgebiet werden bis Ende März nochmals 100 Straßenbäume gefällt. Für viele wird kein Ersatz gepflanzt. Am Hafen wurden 40.000 Quadratmeter für ein Gewerbegebiet abgeholzt. Im Reichswald werden Schneisen mit einer Fläche von 50.000 Quadratmetern für Holzfällmaschinen geschlagen. Und am Flughafen mussten rund 22.000 Quadratmeter Wald weichen – wegen der Flugsicherheit.
Naturschützer schlagen Alarm. Sie befürchten nachhaltige Schäden für den Naturhaushalt und die Artenvielfalt in der Stadt, wenn der Rundumschlag im Baumbestand so weiter geht. Dem Bund Naturschutz (BN) sind Pläne bekannt, dass am Hafen noch weiter gefällt wird.
Was die Verkehrssicherheit angeht, so meint Oliver Schneider, der Baumbeauftragte des BN: „Wir wollen auch nicht, dass Bürger zu Schaden kommen. Aber das Sicherheitsdenken bei den Behörden nimmt fast schon übertriebene Züge an.“ Schlimm: Denn alleine an den Straßenzügen in Nürnberg fehlen 20.000 Bäume, um ein gesundes Stadtklima zu gewährleisten. Oliver Schneider wünscht sich mehr Kompromissbereitschaft, etwa die Bäume eher vorsichtig zu stutzen, statt sie komplett zu fällen. Schneider: „Mehr Wildnis, das steigert auch die Lebensqualität der Bürger.“ Marlina Pfefferer
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