Statt Plädoyer im Missbrauchsprozess neuer Beweisantrag
Würzburg (dpa/lby) - Das Plädoyer der Staatsanwaltschaft im Prozess gegen einen Würzburger Logopäden wegen Kindesmissbrauchs ist verschoben worden. Das sagte ein Landgerichtssprecher am Donnerstag. Er begründete dies mit einem neuen Beweisantrag der Verteidigung. Die Anwälte des Angeklagten wollen, dass die Haftbedingungen des 38-Jährigen strafmildernd bei einem Urteil berücksichtigt werden.
Daher sollen nun am nächsten Verhandlungstag, dem 18. Mai, zunächst zwei Gefängnismitarbeiter vor der Großen Jugendkammer gehört werden. Ob an diesem Tag auch die Plädoyers folgen, sei unklar. Der angeklagte Deutsche hatte zu Prozessauftakt Anfang März gestanden, sich jahrelang an ihm anvertrauten Buben vergangen zu haben. In 66 Fällen sollen die behinderten Opfer schwer sexuell missbraucht worden sein.
Viele Übergriffe fanden in zwei Kitas statt, in denen der Sprachtherapeut den damals zwei bis sechs Jahre alten Kindern eigentlich beim Verständigen helfen sollte. Der Fall gilt als einer der schlimmsten Missbrauchsfälle in Bayern und brachte auch erfahrenste Ermittler an ihre Grenzen.
Der Angeklagte befindet sich seit dem 21. März 2019 in Untersuchungshaft - zunächst in Bamberg und nun für den Prozess in Würzburg. Nach Angaben der Verteidigung saß ihr Mandat länger in videoüberwachten Sicherheits-/Einzelhaftzellen, wurde teilweise nahezu den ganzen Tag eingeschlossen und habe keine Möglichkeit der Teilnahme an sozialen Angeboten wie etwa Sport gehabt. Besuche seien nur durch eine Trennscheibe möglich.
Nach Angaben des Gerichtssprechers räumte die Verteidigung ein, "dass diese Haftbedingungen auch zum Schutz des Angeklagten wegen vermuteter Suizidgefahr und vor Übergriffen von Mitgefangenen gewählt" wurden. Dennoch seien sie aus Sicht der Verteidigung strafmildernd zu berücksichtigen, teilte der Sprecher aus der nicht-öffentlichen Verhandlung am Donnerstag mit. Die Kammer will die Gefängnismitarbeiter nun zu diesen Fragen hören, bevor die Schlussworte der Verfahrensbeteiligten beginnen.
Der psychiatrische Gutachter in dem Verfahren hält den pädophilen Angeklagten für therapierbar, aber nicht für vermindert schuldfähig. Fachleute sprechen von Pädophilie, wenn sich Erwachsene primär durch Kinder vor der Pubertät sexuell erregt fühlen.
Der Angeklagte hatte die Taten gefilmt und im Darknet verbreitet, so kamen ihm die Ermittler auf die Schliche. Er ist auch wegen Herstellens und Besitzes kinderpornografischer Schriften angeklagt. In seiner Wohnung stellten Polizisten knapp 23 000 Dateien mit Missbrauchsinhalten sicher.
Der Prozess findet nahezu ausschließlich ohne Öffentlichkeit statt - vor allem, um die Opfer vor Stigmatisierung zu schützen. Das Urteil gegen den 38-Jährigen soll spätestens am 4. Juni verkündet werden.
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