Stachel in der Klassikwelt
NÜRNBERG - Am Wochenende gibt der schwedische Posaunist, Dirigent und Komponist Christian Lindberg zwei Konzerte mit den Nürnberger Symphonikern. Ein Interview.
Seine Karriere begann spät, legte dann aber einen Senkrechtstart hin: Erst mit 17 Jahren fand Christian Lindberg zum Posaunenspiel. Zwei Jahre später war er Mitglied des Stockholmer Opernorchesters, startete mit 25 die Solokarriere und hat seitdem mit nahezu allen großen Orchestern der Welt konzertiert. Das Dirigieren kam später dazu. Am Wochenende wird er die Nürnberger Symphoniker in der Meistersingerhalle (28. Februar um 20 Uhr, 1. März um 16.30 Uhr) mit Werken von Sibelius und Grieg leiten, dazu das Posaunenkonzert von Leopold Mozart und die Eigenkomposition „Helikon Wasp“ spielen.
Herr Lindberg: Komponist, Dirigent, Solist — gibt's Sie im Paket günstiger?
CHRISTIAN LINDBERG: Nein, sicher nicht (lacht). Ich habe das schon etliche Male gemacht und wurde für Nürnberg auch so angefragt. Dirigierende Komponisten oder Solisten waren im 18. und 19. Jahrhundert üblich. Warum nicht auch heute?
Welches der drei Dinge machen Sie gerade am liebsten?
Komponieren. Ich kann nicht ohne leben, seit ich mit 39 meinen ersten Auftrag bekam. Dann folgt Dirigieren und dann das Spielen. Aber auch das ist Teil meines Lebens. Außerdem kann ich so meine Kompositionen besser kontrollieren (lacht).
Was haben Sie sich bei Ihrer Komposition „Helikon Wasp" (Helikon-Wespe) gedacht?
Das Umfeld der klassischen Musik kann ziemlich konservativ sein. Als ich den Auftrag für „Helikon Wasp“ bekam, hatte ich die Angepasstheit satt, fand die Klassik-Szene verstaubt und wollte das ändern. Die Wespe sticht die noble Gesellschaft auf dem Musenberg Helikon ebenso wie das konservative Publikum.
Sie haben über 300 Posaunenwerke ersteingespielt. Was mögen Sie an zeitgenössischer Musik?
Ich mag sie nicht lieber als andere, sondern bin einfach süchtig nach Musik. Toll ist natürlich an Uraufführungen, dass man etwas völlig Neues schafft.
Warum haben viele Menschen Angst davor?
Jeder hat Angst vor dem Unbekannten. Als ich jung war und mit einem neuen Stück begann, ging es mir ähnlich. Aber je mehr man sich damit beschäftigt, desto mehr wird man damit vertraut und sieht, wie wunderbar es ist. Das Problem ist natürlich auch, dass es eine tiefe Kluft gab zwischen Konservativen und der Avantgarde der Darmstädter Schule — ohne Kommunikation, und das lag an beiden. „Helikon Wasp“ aber will kommunizieren!
Sie haben drei skandinavische Komponisten in ihrem Programm. Gibt es einen nordischen Klang?
Was für uns ganz natürlich ist, klingt für südlichere Ohren oft dunkel, melancholisch. Das hat sicher etwas mit dem weiten Raum in Skandinavien zu tun, der langen Dunkelheit im Winter, der Helligkeit im Sommer. Sibelius hat komplexe Tiefe komponiert, die das Publikum überall mehr und mehr in ihren Bann schlägt.
Interview: Georg Kasch
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- Wolfgang Amadeus Mozart