Sprung ins leere Becken

Rebecca Wilton zeigt mit „Siedlungen“ in Fürth Bilder zur Krise.
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Rebecca Wilton vor ihrem Foto „Ahn“, auf dem sie selbst in der rechten Bildhälfte ziemlich verloren wirkt.
Berny Meyer Rebecca Wilton vor ihrem Foto „Ahn“, auf dem sie selbst in der rechten Bildhälfte ziemlich verloren wirkt.

NÜRNBERG - Rebecca Wilton zeigt mit „Siedlungen“ in Fürth Bilder zur Krise.

Den diskreten Charme des Verfalls beschworen schon die Romantiker ausgiebig, nun legt Rebecca Wilton in der städtischen Galerie Fürth nach: „Siedlungen“ nennt sie ihre Ausstellung, doch zeigen die großformatigen Fotos eher, was davon übrigbleibt. Zwischen grauen Dorfhäusern klafft eine riesige Lücke aus Fundamentmauern und Sandbergen, in einem Gutshaus nahe der Ostsee kringelt sich die Farbe an den Wänden, ein Korridor mit unechter Stukkatur ist mit den Resten der Teppichbodendämmung bedeckt.

Die Visionen zur Krise unterscheiden sich vom Doku-Stil Bernd und Hilla Bechers oder Candida Höfers, weil Wilton selbst als Model in den sonst menschenleeren Räumen und Gegenden den Betrachter ins Bild holt. Dabei wirkt die Umgebung auf Wiltons Figuren zurück.

Wie in „Ahn“, in dem die menschlichen Spuren ausnahmsweise Richtung Hochpolitur weisen: Es zeigt die Lobby eines zum Hotel umgebauten Schlosses, über dem Kamin hängt der Bauherr. Die junge Frau auf der Treppe scheint erstarrt, wie erdrückt von der Last der Geschichte. Oder in „Siedlung“, das den Hof zweier verlassener Wohnblocks in Eisenhüttenstadt zeigt: Zwischen den Gestängen der Wäscheleinen, einst sozialer Treffpunkt, wird die 29-Jährige fast verschluckt vom Grau der Gebäude.

Wilton, die in Leipzig an der Hochschule für Grafik und Buchkunst studierte, arbeitet nur selten mit dem Selbstauslöser, oft mit einem Assistenten und braucht zahlreiche Probeaufnahmen, um zu einem Ergebnis zu kommen. Ihre Motive findet sie vor allem im an Ruinen reichen Ostdeutschland. Wie das einstige Kaderschwimmbad in Leipzig, auf dessen Sprungturm sie in Badekappe und -anzug steht. Da fröstelt es einen, auch wenn man noch nicht weiß, dass das Bild im Herbst aufgenommen worden ist.

Wilton hat auch den schmalen, eleganten Katalog „Häuser & Paläste“ gestaltet, für den der Berliner Autor Thomas Pletzinger („Bestattung eines Hundes“) eine fiktive Geschichte schrieb. Hier finden sich auch jene aus parallelen Bleistiftstrichen zusammengefügten Silhouetten, die imposante Gutshäuser höchst fragil aussehen lassen. Georg Kasch

kunst galerie fürth (Königsplatz 1): bis 5. April, Di-Sa 13-18 Uhr, So 11-17 Uhr

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