Spielhallen im "Führer-Bahnhof"?
Berchtesgaden - Wenn es um den Bahnhof geht, versteht die Marktgemeinde Berchtesgaden keinen Spaß – im wahrsten Sinne des Wortes. Sie lässt es deshalb sogar auf einen Gerichts-Streit mit dem Landratsamt ankommen: Das Münchner Verwaltungsgericht muss entscheiden, ob in das unter Denkmalschutz stehende Gebäude ein Freizeit- und Eventcenter einziehen darf, bei dem es sich genau genommen um zwei Spielhallen handelt.
Ein Projektentwickler, der eine ganze Reihe solcher Vergnügungstempel, betreibt, hat allerdings mit dem Landratsamt einen Verbündeten gefunden. Dort wurde der Plan anstandslos genehmigt. Den Begriff „Sauerei“ verwendet Bürgermeister Franz Risp zwar nicht, aber inhaltlich könnte man das seinen Worten entnehmen. „So ein Spielcenter hat in unserem Bahnhof nichts zu suchen“, erklärt er. Das Gemeindeoberhaupt ist sich sicher, dass die überwältigende Mehrheit der Berchtesgadener seine Meinung teilt. Bürgermeister Risp: „Auch der ganze Gemeinderat sieht das so.“
Die kleinste Gemeinde Deutschlands mit einem Hauptbahnhof
In der Sprache des Verwaltungsgerichts hört sich der anhängige Problemfall so an: „Im gerichtlichen Verfahren wird insbesondere zu klären sein, ob das Freizeit- und Eventcenter mit dem örtlichen Gebietscharakter vereinbar ist.“ Bürgermeister Risp, der das als nicht gegeben ansieht, wirft noch ein weiteres Argument in die Waagschale, das allerdings in die nationalsozialistische Vergangenheit der malerischen Gemeinde am südöstlichen Zipfel Bayerns zurückführt: „Das Gebäude steht unter Denkmalschutz.“
Berchtesgaden kann sich auf jeden Fall auf die Fahnen schreiben, die kleinste Gemeinde Deutschlands zu sein, die einen Hauptbahnhof hat. Zwar fährt nur einmal am Tag ein Fernzug in Richtung Norden und der Alltagsbetrieb beschränkt sich auf den regionalen Reiseverkehr, doch das Bauwerk glänzt durch seine Größe, die ganz dem Baustil der Nationalsozialisten entsprach. „Es ist überdimensioniert“, kann man selbst auf Wikipedia nachlesen.
Der Grund für das monumentale Bauwerk ist seine Entstehungszeit, Ende der 30er-Jahre, und die Aufwertung durch Hitlers Entscheidung, sich über den Bergen Berchtesgadens auf dem „Berghof“ niederzulassen. Viele hochrangige Nazis, die dem „Führer“ ihre Aufwartung machten oder herbeizitiert wurden, stiegen nach seiner Eröffnung am 1. Februar 1940 durch die Deutsche Reichsbahn am Berchtesgadener Bahnhof aus. Bei der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht, die für den 13. Oktober einen Verhandlungstermin angesetzt hat, dürfte die hohe Besucherfrequenz früherer Zeiten aber keine Rolle spielen.
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