Söder will Lockdown für Ungeimpfte

Der Ministerpräsident fordert flächendeckende 2G-Vorgaben überall dort, wo dies rechtlich möglich ist - und Ärzte sprechen bereits wieder von der Triage-Gefahr.
von  Ralf Müller
Ernste Miene: Ministerpräsident Markus Söder gestern auf dem Weg zur Pressekonferenz.
Ernste Miene: Ministerpräsident Markus Söder gestern auf dem Weg zur Pressekonferenz. © imago images/Sven Simon

Die Corona-Pandemie hat sich in Bayern so zugespitzt, dass wieder von "Triage" die Rede ist. In den Mund nahm diese Bezeichnung für das Auswählen von Patienten nach deren Überlebenschancen der Ärztliche Koordinator und Klinikgeschäftsführer Thomas Weiler aus Starnberg auf einer Pressekonferenz der bayerischen Staatsregierung am Donnerstag in München.

Die Situation in den bayerischen Krankenhäusern sei mit keiner anderen in der Nachkriegszeit vergleichbar, so Weiler. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) setzte noch eins drauf: "Es geht ja erst los."

Söder unzufrieden mit Krisen-Management

In einem Krisengespräch mit Vertretern der Kliniken, der Ärzte und des Pflegepersonals erfuhren der Ministerpräsident und seine Ressortchefs für Gesundheit und Inneres, Klaus Holetschek (CSU) und Joachim Herrmann (CSU), was sie eigentlich schon wussten: "Die Lage ist sehr, sehr ernst und wird jeden Tag schwieriger" (Söder).

Dabei zeigte sich der Ministerpräsident unzufrieden mit dem Krisen-Management der noch im Werden begriffenen Berliner Ampel-Koalition, aber auch mit der Ständigen Impfkommission (Stiko) und forderte flächendeckende 2G-Vorgaben überall dort, wo dies rechtlich möglich ist.

"Die Impfdurchbrüche häufen sich"

Dies würde bedeuten, dass man auch bayerische Gaststätten und Beherbergungsbetriebe nur noch betreten kann, wenn man entweder geimpft oder genesen ist. Bis jetzt kann man in bayerischen Lokalen auch noch Platz nehmen, wenn man einen negativen Corona-Test vorlegen kann. Wo jetzt schon "2G" gilt, sollte nach dem Willen Söders "2G plus" eingeführt werden, also zusätzliche Schnelltests auch für Geimpfte und Genesene. "Die Impfdurchbrüche häufen sich", so Söder. In dem Fall müssten die erneut Infizierten aber nur mit milderen Verläufen rechnen.

In Oberbayern sei praktisch kein Intensivbett mehr verfügbar, berichtete Weiler. Zimmer mit zwei Intensivbetten müssten im Extremfall zur Hälfte unbenutzt bleiben, weil man keinen geimpften Intensivpatienten mit einem schweren Covid-19-Fall zusammenlegen könne. Erleichterung gebe es derzeit nur noch, weil man Schwerstkranke nach Nordbayern verlegen könnte, wo die Situation noch weniger dramatisch sei.

Markus Schopper: 90 Prozent der Corona-Intensivpatienten ungeimpft

Man solle sich aber nicht täuschen, so Söder: Die besonders in Südbayern extrem schwierige Lage werde sich über kurz oder lang in alle Regionen Deutschlands ausbreiten: "Das wird sich entwickeln." Dies hätten die vorhergegangenen Pandemie-Wellen gezeigt.

Es sei "eine Minute vor zwölf", sagte Markus Schopper von der Pflege-Station am Klinikum Bogenhausen. Schon jetzt könnten Operationen teilweise nicht mehr vorgenommen werden. Schopper sprach zwar nicht von "Triage", wohl aber von einem "Spagat", den man ausführen müsse, um die Versorgung noch aufrecht zu erhalten. Schopper bestätigte, dass 90 Prozent der Corona-Intensivpatienten ungeimpft seien. Leitstellen müssten bis zu zwei Stunden lang herumtelefonieren, um noch ein Krankenhaus zu finden, zu dem schwerkranke Patienten gebracht werden können, berichtete Weiler.

Was die künftige Ampel-Koalition in dieser Situation vorgelegt hat, sei ein "unglücklicher Start", kritisierte Söder. Es gebe für die 3G-Regel am Arbeitsplatz ebenso wie für die Unterstützung der Krankenhäuser nur "Ankündigungen", keine Ansagen zu Impfpflichten für bestimmte Berufsgruppen und zu Auskunftspflichten gegenüber den Arbeitgebern.

Dem vorgelegten Gesetzentwurf fehle eine "Notfallklausel", die regelt, was im Extremfall greife. "Was tun wir dann?", fragte Söder: "AHA und 2G-Regeln, und das war's dann?"

Die Corona-Politik der künftig Regierenden sei bisher "einfach schwach", ihre Gesetzesvorlage gehorche dem Motto "Augen zu und durch". Für einen harten Winter offeriere die Berliner Ampel ein "Sommerreifen-Set".

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