So überlebte der Laufer Polizist den Anschlag seiner Freundin
Die Kugel aus der Dienstwaffe durchschlug den Hals, verletzte aber keine wichtigen Organe.
NÜRNBERG/LAUF Es grenzt an ein Wunder! Der Polizeibeamte, der am Samstag in der Polizeiwache Lauf (Kreis Nürnberger Land) von seiner Kollegin und Ex-Lebensgefährtin mit einem Schuss in den Hals niedergestreckt wurde, befindet sich bereits auf dem Weg der Besserung. Seine Verletzungen sind nicht so dramatisch, wie es zunächst aussah. „Er hatte unwahrscheinliches Glück", sagte ein Ermittler zur AZ. Bereits am Montag holten ihn die behandelnden Ärzte der Uni-Klinik Erlangen aus dem künstlichen Koma zurück.
Die Rekonstruktion des Tatgeschehens durch die Kripo Schwabach ergab, dass Oliver B. (30) aus einer Entfernung von etwa einem bis maximal zwei Metern getroffen wurde. Maria W. schoss mit ihrer Dienstwaffe. Das Projektil vom Kaliber 9 Millimeter durchschlug seinen Hals, traf aber keine lebenswichtigen Organe. „Die Kugel verletzte weder die Speise- noch die Luftröhre, schrammte an der Halsschlagader vorbei und verfehlte auch die Halswirbelsäule“, hieß es aus Krankenhaus-Kreisen. Die Ärzte gehen davon aus, dass Oliver B. bei einem normalen Genesungsverlauf bereits Ende nächster Woche wieder aus der Klinik entlassen werden kann.
Kollegen fragen: Warum kam kein SEK zum Einsatz?
Die Leiche seiner Freundin Maria W. (25) wurde am Montagnachmittag von der Rechtsmedizin der Uni Erlangen obduziert. Das Ergebnis lässt keinen Zweifel daran, dass sie zunächst ihren Lebensgefährten erschoss – und dann Selbstmord beging. Darauf deuten Schmauchspuren und typische Blutspritzer an ihrer rechten Hand hin, mit der sie die Waffe hielt. „Sie hat sich die Pistole an die Schläfe gehalten und dann abgedrückt“, so ein Ermittler zur AZ. Die Kugel, die lebenswichtige Bereiche des Gehirns verletzte und innerhalb kurzer Zeit zum Tod führte, blieb im Kopf stecken.
Innerhalb der Polizei wird heftig darüber diskutiert, ob die Vorgehensweise der Einsatzleitung, auf einen Zugriff durch das Sondereinsatzkommando (SEK) zu verzichten und auf verbale Deeskalation zu setzen, richtig war. Eine Polizeipsychologin hatte stundenlang per Telefon mit Maria W. verhandelt, um sie zur Aufgabe zu überreden. Die Todesschützin hielt sich zusammen mit Oliver B., der ihr kurz vorher den Laufpass gegeben hatte, fast zehn Stunden lang in einem Zimmer im zweiten Stock der Inspektion auf.
„Wir hatten keinen Grund zur Annahme, dass sich die Dinge so dramatisch entwickeln würden“, rechtfertigte Polizeipräsident Gerhard Hauptmannl wenige Stunden nach der Tat die Strategie der Einsatzkräfte vor Ort.
Auch Oliver B. konnte sich eine Gewaltaktion seiner Freundin gegenüber anderen offensichtlich nicht vorstellen. Immerhin aber zog er die Möglichkeit durchaus ins Kalkül, dass sich Maria W. nach der von ihm ausgesprochenen Trennung selbst etwas antun könnte. Seine von ihm verständigten Kollegen hatten sich in der Nacht vor der Bluttat deshalb auch auf die Suche nach der zunächst verschwunden Frau gemacht, konnten sie allerdings nicht finden.
Die heraufziehende Gefahr blieb in der Nacht zum Samstag auch den diensthabenden Beamten, sowie dem Dienstgruppenleiter von Maria W. verborgen. Der Vorgesetzte, der von Polizeipräsident Hauptmannl als sozial engagiert beschrieben wurde, sollte bei den Beziehungsproblemen vermitteln. Ihn hatte Maria W., ebenso wie ihren Freund Oliver, in den frühen Morgenstunden des Samstags per SMS zur Dienststelle beordert. Sie trafen kurz vor 5 Uhr morgens ein.
Oliver B. weiß noch nicht, dass seine Ex-Freundin tot ist
Maria W., die sich vorher schon unbemerkt Zutritt in das Dienstgebäude in der Holzgartenstraße verschafft hatte, saß ihrem Lebensgefährten, bewaffnet mit ihrer Dienstwaffe, allein in einem Zimmer gegenüber. Oliver B. hielt die Situation trotzdem nicht für unbeherrschbar. Er verließ sogar zwei Mal den Raum, wie später von der Polizeiführung bestätigt wurde. Auf die Idee, Maria W. bei diesen Gelegenheiten notfalls mit körperlichen Mitteln unter Kontrolle zu bringen, kam keiner. Polizeipräsident Hauptmannl sieht daran keinen Anlass für Kritik. „Zu diesem Zeitpunkt waren die Spezialkräfte noch nicht vor Ort“, sagte er.
Oliver B., der nach dem Aufwachen aus dem künstlichen Koma bereits wieder ansprechbar ist, kann sich offensichtlich nicht an die Bluttat erinnern – und er weiß auch nicht, dass Maria W. tot ist. Wie er diese Nachricht auffassen wird, ist schwer einschätzbar. Nach dem Aufwachen hat er nach seinem MP3-Player verlangt, um seine eigene Musik hören zu können. Bleibende körperliche Schäden wird er nach Einschätzung der Mediziner allem Anschein nach nicht zurückbehalten. Ganz anders sieht es mit seiner Psyche aus. Wie sich die dramatischen Ereignisse auf sein Seelenleben auswirken werden, weiß derzeit keiner. Helmut Reister
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