So können wir uns gegen brutale Schläger schützen
NÜRNBERG - Die Polizei bietet Seminare zur Deeskalation an. Schulen setzen Streitschlichter ein. Senioren absolvieren Selbstverteidigungs- Kurse. Videoüberwachung erleichtert die Strafverfolgung.
Der Münchner Geschäftsmann Dominik B. (50) hat Zivilcourage bewiesen - und seinen Mut mit dem Leben bezahlt! Er wurde von zwei Jugendlichen zu Tode geprügelt, nur weil er sich in der S-Bahn schützend vor ein paar Kinder stellte. Hat er in dieser brenzligen Situation womöglich etwas falsch gemacht? Diese Frage wird auch in Nürnberg heftig diskutiert.
Denn pöbelnde, unberechenbare Schläger jagen auch vielen Fahrgästen in den Nürnberger S- und U-Bahnen Angst ein. „In solchen Situationen aber den Helden zu spielen, ist nicht der geeignete Weg“, sagt Elke Schönwald vom Polizeipräsidium. Ihre Kollegen vom Kommissariat für Prävention und Opferschutz haben Strategien zur Deeskalation ausgearbeitet und vermitteln ihr Wissen in Seminaren, die einmal im Monat stattfinden. Daran kann jeder Interessierte teilnehmen. Das sind die wichtigsten Verhaltensregeln:
Man sollte möglichst viele Menschen direkt ansprechen und um Hilfe bitten. Je größer der Kreis derer ist, umso besser. Das hat unter Umständen eine abschreckende Wirkung.
Möglichst früh professionelle Hilfe holen. In den Nürnberger U-Bahnen funktioniert das Handy problemlos. Mit der 110 (ohne Vorwahl) landen Sie direkt an der richtigen Stelle.
Sind die Rabauken betrunken und machen einen sehr aggressiven Eindruck, ist es die intelligentere Lösung, nicht den Täter anzusprechen, sondern die Opfer. Ein Polizeiexperte: „Zum Beispiel kann man Bekanntheit vorgaukeln und sagen: Hey, komm doch zu uns rüber.“
Kinder, die angepöbelt oder bedroht werden, sollten Erwachsene ganz gezielt ansprechen und um Hilfe bitten. Besser ist es auch, wenn sie sich nicht in leere Wagen setzen, sondern die Nähe von Erwachsenen suchen, die sie im Notfall ansprechen können. Eltern sollten ihren Kindern auch klarmachen, dass es besser sein kann, Erpressungsversuchen nachzugeben und lieber das Geld herauszurücken, als in eine Auseinandersetzung verwickelt zu werden.
Um die Sicherheit der Fahrgäste zu erhöhen, sind viele U-Bahnstationen in Nürnberg mit Video-Überwachung ausgerüstet. Die Bilder werden direkt in die VAG-Einsatzzentrale übermittelt. Und auch die Polizei hat online einen direkten Zugriff darauf. Elke Schönwald: „Wie hoch die abschreckende Wirkung der Videoüberwachung ist, wissen wir nicht genau. Sicher ist aber, dass sie uns sehr bei der Aufklärung von Gewalttaten weiterhilft.“ Im vergangenen Jahr etwa konnte mit Hilfe der aufgezeichneten Bilder ein 15-jähriger Schüler ermittelt werden, der im U-Bahnhof „Klinikum“ in Fürth einen Fahrgast krankenhausreif prügelte. Wegen versuchten Totschlags wurde er kürzlich zu fünf Jahren Haft verurteilt.
Nürnbergs Schulen haben bereits auf das zunehmende Gewaltpotenzial Jugendlicher reagiert. Mediation heißt das Zauberwort, mit dem Konflikte schon im Ansatz erstickt werden sollen. Schüler werden dabei als Streitschlichter eingesetzt. „Das hat sich sehr bewährt. Wahrscheinlich gäbe es ohne sie wesentlich mehr Streitfälle“, ist der Rektor einer Nürnberger Brennpunkt-Hauptschule überzeugt. Aber auch immer mehr Senioren wollen angstfrei die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen können. Spezielle Selbstverteidigungskurse für sie stehen derzeit hoch im Kurs. Helmut Reister
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