Sie muss traurige Menschen noch trauriger machen...

Wenn kein Pfarrer am offenen Grab trösten soll: Monika Hentschel ist als Trauerrednerin zu weltanschaulicher Neutralität verpflichtet und berichtet: „Wenn meine Mutter weint, sind die Reden gut!“
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Wenn kein Pfarrer am offenen Grab trösten soll: Monika Hentschel ist als Trauerrednerin zu weltanschaulicher Neutralität verpflichtet und berichtet: „Wenn meine Mutter weint, sind die Reden gut!“

NÜRNBERG Der plötzliche Tod eines geliebten Menschen trifft hart: Wenn viele vor Trauer nur noch schweigen können, findet Monika Hentschel bei Bestattungen einfühlsame Worte. Die 46-Jährige ist Trauerrednerin.

Seit drei Jahren steht Hentschel Hinterbliebenen in schweren Stunden zur Seite. Anders als ein Pfarrer, verabschiedet sie jeden – egal ob gläubig oder ohne Konfession. „Mit oder ohne Gott, mit oder ohne Segnung – da bin ich völlig diplomatisch“, sagt Hentschel. Als Trauerrednerin sieht sich die Fränkin zu weltanschaulicher Neutralität verpflichtet. „Viele wollen, obwohl sie aus der Kirche ausgetreten sind, trotzdem das Vaterunser“, hat die freiberufliche Trauerrednerin festgestellt.

Kurios: Sie selbst kam durch ein Pfarrer-Ehepaar aus der Nachbarschaft zu dem seltenen Job. „Wir wohnten 20 Jahre Tür an Tür. Eines Tages kam der Pfarrer enttäuscht von einer Trauerfeier und schlug mir vor: Du könntest das besser. Du kannst gut mit Leuten umgehen und dich gut ausdrücken“, erinnert sich Hentschel. Gesagt, getan: Nach dem Tod ihres Vaters absolvierte die 46-Jährige in Kassel einen Lehrgang. „Zuhören, mitfühlen und sich in die Trauernden hineinversetzen – das ist besonders wichtig“, meint die Fränkin. Das Vorgespräch mit den Angehörigen ist der Schlüssel zu einer guten Rede. In wenigen Minuten ein ganzes Leben nachzeichnen, zugleich Trost spenden und Hoffnung zu machen – ist dennoch immer wieder eine Herausforderung. Wenn junge Menschen durch Unfall, Krankheit oder Mord plötzlich aus dem Leben scheiden, fällt das besonders schwer.

„Ich lese die Reden oft vorab meiner Mutter vor: Wenn Sie weint, weiß ich: sie sind gut.“ Tief bewegt hat Monika Hentschel die Frage eines Angehörigen nach der Trauerfeier, ob sie den ihr unbekannten Verstorbenen persönlich kannte. „Sie haben ihn so gut beschrieben.“

„Es soll weniger eine Trauer- als vielmehr eine Lebensfeier sein“

Mit ihren Ansprachen will die Trauerrednerin vor allem die schönen Erlebnisse mit den Verstorbenen in den Mittelpunkt rücken. „Es soll weniger eine Trauer- als vielmehr eine Lebensfeier sein.“ Von allzu trauriger Musik rät sie ab. „Besser Lieblingslieder des Verstorbenen einbinden, um ihn in guter Erinnerung behalten.“

Ein Klassiker sei „Memories“ aus dem Musical Cats. Auch Worte sind ihre Werkzeuge: Mit Aufmunterungen wie „Erinnerungen sind wie kleine Sterne, die tröstend in das Dunkel unserer Trauer leuchten“ will sie neuen Mut machen.

So ist für Monika Hentschel, die gleichzeitig im öffentlichen Dienst arbeitet, der Beruf Trauerrednerin auch eine Berufung: „Mich begeistert die Dankbarkeit der Angehörigen. Trotz allem gehe ich immer wieder gestärkt aus den Trauerfeiern.“ Im Gegensatz zur Hektik in der Welt genießt Hentschel die Ruhe dieses Jobs. Nur im Krematorium gehe es manchmal recht hektisch zu – und wenig pietätvoll. Mehr Zeit bleibt bei Zeremonien in der Aussegnungshalle oder Urnenbeisetzungen unter freiem Himmel, die auch auf dem Wasser oder im Friedwald in der fränkischen Schweiz möglich sind.

Deutschlandweit arbeiten derzeit etwa 500 hauptberufliche Trauerredner, schätzen Experten. Aufträge bekommen sie von den Bestattern oder durch Empfehlungen. In Nürnberg erhalten Redner pro Trauerfeier zwischen 170 und 300 Euro, was fünf bis zehn Stunden Aufwand entspricht.

Das größte Lob für Monika Hentschel kam indes von einer älteren Dame aus ihrem Heimatdorf: „Da haben Sie heute eine schöne Predigt gehalten.“ Stefanie Schaller

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