Shoppen und schauen
NÜRNBERG - Im Nürnberger Franken-Center stellt sich erstmals die Kunst selbstbewusst 350.000 Besuchern in den Einkaufsweg
Es wird, das ließ sich schon vor der Eröffnung hochrechnen, Nürnbergs bestbesuchte Ausstellung des Jahres. 350.000 Menschen strömen bis 14. Februar laut Statistik durchs Franken-Center und werden der Kunst kaum entkommen. Beim „Kunstpreis Langwasser“, den Hausmanagement und städtisches Amt für Kultur und Freizeit erstmals aufwändig realisierten, wandert der Berg zum Konsum-Propheten und stellt sich ihm „regelrecht in den Weg“, wie Kulturreferentin Julia Lehner erklärte.
Es wächst ein völlig zweckfreies Dachlatten-Gerüst
Bei Kiecol-Meisterschüler Kai Richter wächst ein völlig zweckfreies Dachlatten-Gerüst, das tollkühn auf einem Wagenheber jongliert, Richtung Lichtkuppel, Annette Voigt baut um eine wunderhübsche Sitzbankinsel einen vergoldeten Zaun (samt handelsüblichem „Bitte nicht berühren!“-Hinweis). Und Grashalmspezialist Thomas May lässt das Saft-„Green“ wachsen und liefert mit einer begehbaren Rasen-Höhle auch noch gleich eine duftende Begegnung für die Nase mit.
Die Natur-Sehnsucht bricht sich immer wieder Bahn
Die Natur-Sehnsucht bricht sich immer wieder Bahn in diesen „Urbanen Welten“. So ist die Ausstellung übertitelt als Reverenz an einen Nürnberger Hochhaus-Stadtteil und eine Shopping-Meile der vollendeten Künstlichkeit. Aus 200 Bewerbern filterte eine Jury 40 Szene-Aktivisten aus, die sich beachtlich am Thema abarbeiten. Etwa Fredder Wanoth, Potemkins-Enkel, und Hans Grasser mit seinen „Nürnberg brutal“-Sticheleien. Viele Kunststudenten nutzten die Chancen. Katharina Dietlinger, die Farbstränge zu wogenden Menschenmassen türmt, machte den 3. Preis. Das Video des Berliners Daniel Sabranski den 1. Platz: die Geschichte einer Uniformität, wenn einer einen Ganzkörperanzug im Sitzpolstermuster der U-Bahn trägt.
Der Beuys’schen Fettecke die Antwort aus der Bastelgruppe
Originell die wimmelnde Bleistift-„Fantazzity“ von Norbert Kiesewetter auf 5,65 Meter Breite (Sonderpreis) und der Ansatz von Sebastian Tröger (2. Platz). Der fügt der Beuys’schen Fettecke die Antwort aus der Bastelgruppe hinzu. Kleine Modellwelten in Ecken und Nischen als subversive Kommentare. Die finden sich häufig an diesem Ort, wo Kunst und Markt, „Glück“ und „Schaubude“ zusammenwachsen. Pirko Julia Schröder etwa schmuggelte Hunderte von Piktogrammen ins Shopping-Center. Samt Warnung vor Flugverkehr auf der Rolltreppe. Noch was zum Entdecken bei dieser vertrauensbildenden Kunstmaßnahme. Andreas Radlmaier
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