Sex und Drogen und Rokoko
ERLANGEN - Das Theater Erlangen feiert Wilhelmine von Bayreuth mit einer Opern-Uraufführung
Von der Opernkomponistin zur Opernheldin: Wilhelmine von Bayreuth (siehe Kasten) lässt sich von Michael Emanuel Bauer, Constantin von Castenstein und Lilli-Hannah Hoepner als Geburtstagsständchen das Musiktheaterstück „Der Wilhelmine-Code“ darbringen. Komponiert für eine Sängerin, eine Schauspielerin und zwei Schauspieler, präpariertes Klavier, Schlagwerk, Akkordeon, einen Holzbläser und einen CD-Player, wird der Opern-Hybrid, der Wilhelmines Rätsel entschlüsseln will, am 29. Januar im Erlanger Markgrafentheater uraufgeführt.
Herr von Castenstein, wer war Wilhelmine wirklich?
CONSTANTIN VON CASTENSTEIN: Wenn Sie die historische Person meinen, verweisen wir auf die Literatur. Wer sie sein wird, wenn wir mit ihr durch sind, ist eine andere Frage. Uns geht es nicht darum, ihr Leben zu zeigen oder eine Zeitoper zu machen. Wir haben die Geschichte als Humus verwendet und die historische Figur als Inspiration. Wilhelmine ist eine moderne Figur, war etwa psychologisch interessiert, gebildet, eine Frau, die wirklich etwas wollte! Und dabei eine sehr zerrissene Persönlichkeit.
Hätte man da nicht ebenso gut auf Lady Di zurückgreifen können wie Stefan Hippe mit „A Lady Di es“ in Nürnberg?[
MICHAEL EMANUEL BAUER: Die besitzt keinen Bezug zu Erlangen.
Gab’s zuerst die Idee einer Wilhelmine-Oper oder den Auftrag aus Erlangen?
BAUER: Ich arbeite seit 2005 regelmäßig mit dem Theater. Die Idee stand schon lange im Raum, seit 2006 haben wir darüber gesprochen, 2007 stand der Auftrag. Wir hatten dabei völlige Freiheit.
Ist der Titel Lockruf ans „Da Vinci Code“-Publikum?
LILLI-HANNAH HOEPNER: Nein. Wilhelmine hat eine Autobiographie hinterlassen, bei der man nie weiß, wann es sich um Dichtung und wann um Wahrheit handelt. Wir wollen die Codes, die überliefert sind, entschlüsseln. Herausgekommen ist eine Meditation anhand von Puzzleteilchen.
Das klingt nach einer etwas abstrusen Seelenreise.
HOEPNER: Der Wilhelmine-Code ist schon eine Art Kopfraum, ein Ort der Selbstreflexion, an dem alles möglich ist. BAUER: Wir wollten uns rückbesinnen: Was ist, was war Oper? Eine Verbindung aus Schauspiel, Musik, Ausstattung und Regie. Es gab auch eine andere Tradition als die elitäre Oper, das musikalische Theater, also Oper mit Unterhaltung. Genau das wollen wir: Unterhalten, ohne alle Ansprüche über Bord zu werfen. HOEPNER: Wichtig war uns auch ein liebevoller Humor, mit dem wir diese Puzzleteilchen zusammensetzen. BAUER: Das Zusammenklauen und Umwidmen von vorhandenem Noten-Material, also das Pasticcio, ist ja eine barocke Herangehensweise. Händel und Vivaldi haben ganze Opern aus vorliegendem Eigen- und Fremdmaterial zusammengefügt.
Welche Rolle spielt dabei der CD-Player?
BAUER: Der versorgt uns mit mit dem bereits existierenden Material aus der Musikgeschichte und dem Film.
Wird auch die Inszenierung ein Pasticcio?
HOEPNER: Ja, vom Rokoko bis heute. Das wird auch in der Ausstattung sichtbar: Wilhelmine trägt zum Beispiel einen Reifrock ohne etwas drüber. Dann haben wir uns mit barocken Operngesten beschäftigt und geschaut, was diese codierten Bewegungen mit heutigen Darstellern machen. CASTENSTEIN: Der Abend erzählt keine stringente Handlung. Es ist ein junges deutsches Stück mit harten Kanten, ein brutales Familiendrama und ein Stück über das frustrierende Leben in der Provinz. Wir haben da durchaus unsere Phantasie schweifen lassen und für ihren ständigen Geldmangel Sex, Drogen und Rock’n’Roll ausgemacht.
Werden die Schauspieler auch singen?
CASTENSTEIN: Jeder muss bei uns alles machen; auch die Musiker spielen mit.
Würden Sie so ein Projekt nochmal stemmen wollen?
CASTENSTEIN: Jederzeit! BAUER: Aber dann machen wir was anderes. An Ideen mangelt’s nicht! Interview: Georg Kasch
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