Selbstjustiz: Zahnarzt klaut zahlungsunwilliger Patientin die Prothese

Ein grotesker Fall von Selbstjustiz: Der 57 Jahre alte Zahnarzt Klaus K. aus dem Raum Neu-Ulm hat seiner Patientin Petra L. (Namen geändert) einfach ihre Prothese aus dem Mund geklaut, weil diese sie nicht bezahlen konnte. Er wurde zu 6000 Euro Geldstrafe verurteilt.
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NEU-ULM - Ein grotesker Fall von Selbstjustiz: Der 57 Jahre alte Zahnarzt Klaus K. aus dem Raum Neu-Ulm hat seiner Patientin Petra L. (Namen geändert) einfach ihre Prothese aus dem Mund geklaut, weil diese sie nicht bezahlen konnte. Er wurde zu 6000 Euro Geldstrafe verurteilt.

Ende 2007 hatte der Dentist der Frau eine Ober- und Unterkieferprothese angefertigt. Für das Gebiss berechnete der Zahnarzt rund 1150 Euro, von denen die Krankenkasse der Frau 450 Euro übernahm. Allerdings blieb Petra L. aus Neu-Ulm ihren Eigenanteil von 701 Euro trotz Mahnung schuldig. Irgendwann riss dem Dentisten der Geduldsfaden.

Er ging am Abend des 22. September 2008 zu der Wohnung seiner Patientin klingelt und gab sich laut Aussage der Frau als Polizist aus. Als die 35-Jährige den späten Besucher einlassen wollte, habe der Mann ihr wortlos die Wangen zusammengedrückt, sodass sie den Mund öffnen musste. Daraufhin soll er laut Anklage fachmännisch die Prothesen herausgezogen haben. Dann verschwand er wortlos mit seiner Beute in die Neu-Ulmer Nacht.

Es war das Werk eines "Doppelgängers"

Einem Journalisten gegenüber hatte der Zahnarzt behauptet, der Überfall sei das Werk eines "Doppelgängers" gewesen. Vor Gericht widerrief er diese Version aber. Er behauptet aber weiterhin, dass er keine Gewalt angewendet habe, sondern die Frau gebeten habe, den Mund zu öffnen. Was sie in ihrer Verblüffung auch getan habe. Die Prothesen wollte er auch nicht behalten, sondern lediglich als "Druckmittel" benutzen. Die Staatsanwaltschaft rückte auf Grund dieser Aussage vom Vorwurf des Raubes ab, beließ es bei Nötigung.

Als Begründung für die Tat gibt der Zahnarzt an, dass er in einer Stresssituation gestanden habe. Aufgrund finanzieller Engpässe und weil ihn seine Lebensgefährtin kurz zuvor verlassen habe, seien ihn die Nerven durchgegangen.

Petra K. weiterhin ohne Zähne

Das Gericht verurteilte ihn wegen Nötigung und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 6000 Euro. Amtsgerichts-Direktor Bernt Münzenberg erklärte in seiner Begründung, dass ihm ein solcher Fall von "Selbstjustiz" noch nicht vorgekommen sei. Für den Richter ein Indiz, dass etwas nicht stimmen kann mit unserem Gesundheitssystem. Dem Zahnarzt aber bescheinigte er großes Glück gehabt zu haben. Wäre es zu einer Verurteilung wegen Raubes gekommen, hätte er zwangsläufig seine Approbation verloren. So darf er hoffen, dass die Kammer ein Auge zudrückt.

Derweil läuft Petra L. immer noch ohne Zähne herum. Zwar hat ihr der Zahnarzt die Prothese mit einem Entschuldigungsbrief wieder zugeschickt. Aber die Frau hat eine riesige Zahnarztphobie entwickelt. Sie ernährt sich seit Monaten lieber von Brei und zerkleinerter Nahrung als sich neue Zähne einsetzen zu lassen.

John Schneider

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