Schweigen und vertrauen

Erstaunliches Kontrastprogramm: In der Nürnberger Galerie Defet stellen Hans-Peter Reuter und seine Ehefrau Hildegard Fuhrer erstmals gemeinsam aus
von  Abendzeitung
Er: Räume aus blockartigen Streifen, präzise und unerbittlich wie gute Gesetze, massiv blau, verbindlich grau.
Er: Räume aus blockartigen Streifen, präzise und unerbittlich wie gute Gesetze, massiv blau, verbindlich grau. © Berny Meyer

NÜRNBERG - Erstaunliches Kontrastprogramm: In der Nürnberger Galerie Defet stellen Hans-Peter Reuter und seine Ehefrau Hildegard Fuhrer erstmals gemeinsam aus

Er malt Räume aus blockartigen Streifen, präzise und unerbittlich wie gute Gesetze, massiv blau, verbindlich grau. Sie malt Gärten, extrem kleinteilig, extrem realistisch, extrem beharrlich. Er, das ist Hans Peter Reuter (67), der „blaue Reuter“, der ehemalige Professor an der Nürnberger Kunstakademie. Sie ist seine Frau Hildegard (66), die auch heute noch manchmal um so schlichte Dinge kämpfen muss wie den richtigen Nachnamen, Fuhrer, nicht Reuter. Die Galerie Defet (Gustav-Adolf-Str. 33) hat jetzt beide erstmals in einer Ausstellung zusammengebracht. Eine Bilderschau frappierender Gegensätze, stiller Gemeinsamkeiten und das Fenster ins Herz einer erstaunlichen Künstler-Romanze. Verblüffend ist ohnehin, dass der Coup so spät gelang. Fuhrer und Reuter leben schließlich in der Nähe, in einem Häuschen mit riesigem Garten in Lauf. „Wir konnten es uns anfangs selbst nicht gut vorstellen“, erzählt sie, „aber jetzt sind wir froh, dass Herr Defet darauf bestanden hat.“ Größer können Kontraste kaum sein. Reuter behandelt das Thema „Raum“ kräftig, energisch. Neben den riesigen Streifengemälden, die nur durch unterschiedliche Farbtöne einen Raum täuschend vorgaukeln, neben seinen zuverlässig Ultramarinblau gefärbten Basteleien aus kleinen Wellpappequadraten wirkt Fuhrers Kunst zunächst zart, sanft, zerbrechlich.

Es sind Gartenlandschaften von geradezu krenweibleinhafter Normalität, irrsinnig kleinteilig, eigenwillig blass, was mal glutheiß wirkt, mal besonders realistisch, gerade weil die satten Farben moderner Illusionsgeräte wie Bildschirm und Fotoapparat fehlen. Und die selbst gewählte Beschränkung beider Ausdrucksformen, seine Blaufärberei und ihre Gartenarbeit, wirkt so kompromisslos, dass man meinen möchte, dass es zwei Menschen, die so arbeiten, keine 15 Minuten im gleichen Zimmer aushalten. Tatsächlich sind beide schon über 40 Jahren verheiratet. „Ich kam 1962 neu in die Karlsruher Akademie“, erinnert sich Reuter, „in die Klasse Albrecht von Hancke. Und das erste, was ich dort sah, war die Hilde. Ich würde nicht sagen ,Liebe auf den ersten Blick’ – aber gefallen hat sie mir sofort.“ Sie freunden sich an, und verloben sich 1967, ein Jahr darauf haben sie ihr erstes gemeinsames Atelier. Schon damals deutet sich ein Grundproblem an: Reuter ist selbstbewusst, sucht die Öffentlichkeit, er kennt seine puristischen Ziele und lässt sich nicht abbringen: „Ein Bild, auf dem nix drauf ist – aber alles drin.“ Fuhrer ist zurückgezogener, sie sucht und braucht die Stille, auch weil sie weiß, dass Einmischung sie verunsichern kann. Nach langem Ringen verbietet sie ihrem Mann deshalb, sich ungefragt zu ihren Bildern zu äußern.

Es ist seltsam berührend, wie beide heute ihre Kunst verteidigen, gegen den anderen, für den anderen, behutsam und energisch zugleich. Er beißt sich heute tapfer auf die Zunge, weil er glaubt, er habe ihr mit seinen Kommentaren „früher bestimmt einige Bilder verpfuscht.“ Und sie redet ihm erst dann rein, wenn sie findet, dass dem Künstler die Gelegenheit zur Kunst abhanden kommt: „Als er die Professur hatte und wir noch in Karlsruhe wohnten, habe ich darauf bestanden, dass wir auch in Nürnberg eine Wohnung mieten. Er war ja nur noch unterwegs.“ Was den Ehe-Alltag ganz gut beschreibt: Sie lässt das Leben vertrauensvoll unter seiner Regie treiben – und nur, wenn ihr etwas gegen den Strich geht, reißt sie das Ruder an sich, für eine kurze, aber unübersehbare Kurskorrektur. Heute haben sie getrennte Ateliers, eine halbe Stunde zu Fuß voneinander entfernt, das ist sicherer. Und auch für Reuter ist ein bisschen Distanz vielleicht ganz beruhigend: „Manchmal, in der Anfangsphase, da hab ich richtig Fracksausen, wenn ich ihre Sachen sehe“, lacht er, „ich sag natürlich nix, aber manchmal denke ich wirklich, auweh, das wird nix. Aber durch diese Schweigepflicht habe ich auch das Vertrauen in sie ganz neu entdeckt. Sie kriegt das Bild immer hin.“ Auf ihre Weise, nicht auf seine, und zugleich gemeinsam. Timur Vermes

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