Schürfen in alten Vorurteilen
Nürnberg - Franken und der Antisemitismus - eine lange Geschichte. Ein von Andrea Kluxen und Julia Hecht herausgegebener Band wirft neue Schlaglichter und bietet kritisches Gedankenfutter
Der Blick ins wuselnde Treppenhaus des Nürnberger NS-Dokuzentrums bestätigt die Aussage seines Leiters Christian Täubrich: „Der Laden brummt.“ Auch die optisch reizvoll aufgetürmte Sonderschau „BilderLast“ findet Beifall und Anfragen für eine anschließende Wanderroute durch Franken. Da kommt die Schürfarbeit mit dem eckigen Titel „Antijudaismus und Antisemitismus in Franken“, der dritte Band einer vom Bezirk Mittelfranken initiierten Reihe (10 Euro im Buchhandel), gerade recht. Nach 60 Jahren fehlt inzwischen die Blockadehaltung der NS-Zeitzeugen. Dass Juden-Hass und Holocaust von nachfolgenden Generationen nun lässiger als Opa-Phänomen aus dem Museum zur Seite gedrängt werden, ist die neue Herausforderung.
Der von Andrea Kluxen und Julia Hecht herausgegebene Band ist das Ergebnis einer Fachtagung in Erlangen im Dezember 2007 und bündelt auf 172 Seiten und in acht Beiträgen die „ganze Bandbreite der jüdischen Geschichte in Franken“. Juden-Feindlichkeit oder „Toleranz“ inbegriffen, die so oder so immer abhängig war von wirtschaftlichen Situationen der Bevölkerung und der Geldgier der jeweiligen Stadt- und Landesherren: Humanität ließ man sich gerne und gut bezahlen.
Antisemitismus ist, wenn man die Analysen liest, immer noch schwer zu be-greifen, ein vielförmiges Sündenbock-Gebilde, dessen offene Feindseligkeit in der bundesdeutschen Demokratie von verkappten Ressentiments abgelöst wurde. Der Würzburger Ethnologe Christoph Daxelmüller zeichnet die Gewaltkurve nach (von „Judenspott“ bis „Holocaust“). Eckart Dietzfelbinger vom Doku-Zentrum ergänzt die „BilderLast“ des braunen Franken, das im NachKriegsdeutschland als „absolutes Phänomen“ mit „Resonanzboden“ weiter existierte. Und Daniela Eisenstein vom Jüdischen Museum kratzt weiter am Fürther Blütenweiß-Placebo vom „Fränkischen Jerusalem“ als Hort der Toleranz. Ihr geht es um den „Versuch, zur kritischen Selbstreflexion zu animieren“. Gedankenfutter liefert der Band reichlich. daer
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