Schon wieder Zoff um den Stuhlturm
Nürnbergs umstrittenstes WM-Kunstwerk: Jetzt werden die alten Sitzschalen beim TSV Brodswinden in Ansbach als neue Tribüne wiederverwertet und am Sportplatz aufgestellt
NÜRNBERG Er war umstritten wie kein zweites Kunstwerk in Nürnberg: Der Stuhlturm, mit dem der Münchner Bildhauer Olaf Metzel zur WM vor vier Jahren den Schönen Brunnen verhüllte. Doch jetzt sorgt das Kunstwerk, das aus 780 alten Sitzschalen aus dem Berliner Olympiastadion zusammengeschraubt war, wieder für Wirbel. Das Kulturreferat hat die Sitze an den Sportverein im Ansbacher Stadtteil Brodswinden abgegeben. Der baut daraus eine Tribüne für den neuen Sportplatz. Künstler Metzel schäumt! „Das ist so nicht mit mir abgesprochen“, sagt er. Und droht mit Konsequenzen (siehe Interview in der Print-Ausgabe vom 23. Juni).
250.000 Euro hat der Deutsche Fußballbund 2006 für die WM-begleitende Kunstaktion „Das große Rasenstück“ in Nürnberg springen lassen. Mit dem Geld entstanden neben der umstrittenen Skulptur am Hauptmarkt (Titel: „Auf Wiedersehen“) etliche andere Kunstwerke.
Als das Sommermärchen ausgeträumt war, wurde auch der Stuhlturm in seine Einzelteile zerlegt. Die Gerüststangen, auf die die Stadionsitze geschraubt waren, gingen an den Verleih zurück. Die Sitze kamen ins Lager in der Kongresshalle am Dutzendteich. „Der Stuhlturm war immer als temporäres Kunstwerk geplant, das wieder in seine Einzelteile zerlegt wird“, weist Annekatrin Fries vom Kulturreferat die Vorwürfe Metzels zurück. Das sei dem Künstler bekannt gewesen.
"Andere Vereine wollten uns schon 200 Sitze abkaufen"
Hier kommt nun der TSV Brodswinden ins Spiel, beziehungsweise dessen Mitglied Joachim Scharf (46). Er arbeitet bei der Berufsfeuerwehr in Nürnberg. Dort hat er mitbekommen, dass die Stadt die Stühle loswerden wollte, die einige Jahre im Lager vor sich hin gammelten. Scharf: „Die brauchten den Platz. Man hat uns gesagt, dass der Künstler kein Geld dafür wolle. Es gehe ihm aber darum, dass die Stühle bei einem wohltätigen Zweck, etwa bei einem Sportverein, Verwendung finden.“ Zu den A-Klasse-Begegnungen des TSV – er schloss die Saison gerade als Tabellendritter ab – kommen schon mal 300 Zuschauer, wenn es gegen den Nachbarverein aus Meinhardswinden geht.
Scharf streicht zunächst die Sitzschalen, die inzwischen auf dem Sportgelände lagern, im knalligen Vereinsblau. Dann schraubt er sie auf eine Unterkonstruktion, die er und seine Helfer geschweißt haben. Das erste Tribünenelement ist jetzt fertig und steht am Spielfeldrand. „Andere Vereine wollten uns schon 200 Sitze abkaufen. Aber wir geben keinen her“, so Scharf.
Vom Streit um den Stuhlturm hat er nichts mitbekommen. „Wenn die Tribüne fertig ist, wollen wir den Künstler einladen“, sagt er. „Er soll ja sehen, was aus seinem Kunstwerk geworden ist.“ Michael Reiner
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