Schnüffler und Sozialspione
NÜRNBERG - In der alten Mälzerei der Klosterbrauerei Weißenohe laden knapp 30 Künstler „In aller Heimlichkeit“ dazu ein, Verborgenes zu entdecken
Spanner sind immer die Anderen. Behauptet Cornelia Hammerer mit ihrem gleichnamigen Werk: eine Tür mit zwei Türspionen, die es sowohl der Person hinter als auch der vor der Tür erlauben, durch diese zu schauen. Das absurde Konstrukt stellt die Nürnberger Designerin und Künstlerin der Öffentlichkeit „In aller Heimlichkeit“ vor. Auf dem Land, in Weißenohe, wo die alte Mälzerei der Klosterbrauerei zum mittlerweile fünften Mal seit 1999 zum KunstRaum erklärt wird. Knapp 30 Künstler besetzen ihn mit Malerei, Skulpturen, Installationen, Foto- und Videoarbeiten, die Besucher zu wahren Voyeuren machen.
Die alte Mälzerei, in der bis in die 1980er Jahre Gerstenmalz produziert wurde, ist technisch gesehen nicht der ideale Ort für eine Kunstausstellung, ganz bestimmt aber ein origineller und für eine Ausstellung, die um Geheimes, Privates und Verborgenes kreist, sogar der ideale Ort. Denn wo könnten die sprichwörtlich im Keller versteckten Leichen besser ausgegraben und Geheimnisse lustvoller aufgedeckt werden, als in feuchten Gewölben und auf schummrigen Dachböden, in Räumen mit Vergangenheit und knarzenden, schiefen Dielen?
Was für die unbekümmerten Fußballfans und Kicker im Flutlicht von Peter Schmidts „Sportplatz“ im Dunkeln bleibt, sieht der Betrachter der Modell-Industrielandschaft mit Beklemmung. In der Tiefgarage stehen Aufklärungsflugzeug und Panzerwagen; schwer bewaffnete Polizeieinheiten machen sich von dort auf den Weg nach oben. Der Staat operiert aus dem Untergrund.
Bei Edgar Kucharzewski als wortwörtlicher Schnüffler. Im erotischen Kuriositätenkabinett des Nürnberger Künstlers wird auf das in Zusammenhang im dem G8-Gipfel in Heiligendamm wieder ins Gespräch gekommene Geruchsarchiv der Stasi angespielt. Besucher sind eingeladen, Geruchsproben abzugeben und geheimste Fantasien zu offenbaren, über die dann eine Akte angelegt werden kann.
Malerin Katja Fischer outet sich im Katalog als „Sozialspionin“. Schließlich beobachtet auch sie andere Menschen von Berufs wegen. Mit der Serie „Shower Spy“ teilt sie etwa den Blick auf eine duschende Dame.
Intim- und Privatsphären öffnen auch diese Künstlerinnen: Zsizsi Markos die einer fiktiven Person, deren Lebensgeschichte anhand von Tagebuch und Einrichtung rekonstruiert werden kann; Mona Burger, die auszugsweise ihre Familiengeschichte offenbart, etwa mit der in Frischhaltetüten verpackten Hinterlassenschaft der Großmutter. Und Hermine Gold, die mit ihrer Installation den einzigen Rückzugsort eines Flüchtlingskindes thematisiert: das Bett. Ein solches steht auch in dem Zelt aus halbtransparenter, weicher Leinwand, in das Eila Goldhahn Besucher einlädt. Zur Erkundung ihres Innersten. Wahlweise auch zur Offenbarung.
Ute Maucher
KunstRaum Weißenohe, Alte Mälzerei im Klosterhof, bis 28. September, Fr-So 13-19 Uhr
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