Schafe in Marktschellenberg gerissen: Ein Dorf und der Wolf
Marktschellenberg - Zehn lange Tage mussten die Einwohner Marktschellenbergs bei Berchtesgaden warten, ehe feststand, dass es der Wolf war, der am 19. Dezember im 1.800-Seelen-Örtchen zum ersten Mal sein Unwesen trieb und mehrere Schafe riss.
Die Landwirte haben Angst
Bürgermeister Michael Ernst sagt: "Unter den Landwirten herrscht große Angst." Der Wolf und die vom Tourismus geprägte Gemeinde: "Das kollidiert." Die Entnahme scheint der einzige, hürdenreiche Weg.
Zwei Autominuten vom Ortszentrum und dem Marktschellenberger Rathaus entfernt liegt die Wiese, auf der sich das tierische Drama abspielte, bei dem mehrere Schafe verendeten, verletzt wurden und notgetötet werden mussten. Das nächste Wohnhaus im Ortsteil Ettenberg liegt keine 50 Meter von der Schafswiese entfernt.
Hat der Wolf keine Scheu mehr?
"Wir sind Durchzugsgebiet für den Wolf", sagt Marktschellenbergs Bürgermeister Michael Ernst. Bislang hatte er mit dem großen Beutegreifer keine Berührungspunkte. Dass der Wolf seine Scheu verloren zu haben scheint und sich in unmittelbare Nähe der Bebauung begab, verunsichert. Nachdem die DNA-Analyse nun den Aufenthalt des Raubtieres bestätigt hat, macht sich Panik breit.

Es gibt vermehrt Freilaufställe
Den Marktschellenbergern kommt das alles andere als gelegen: Die Gemeinde ist ländlich geprägt, rund 100 Landwirte gibt es hier. Das Örtchen liegt in einer Talschneise, umgeben von besiedelten Berghängen. Um die tierschutzwidrige Anbindehaltung bei Landwirten abzuschaffen, wurden Freilaufställe in der Vergangenheit großzügig finanziell unterstützt.
Noch zu wenige Bauern haben bislang die Gelegenheit genutzt, ihre Freiflächen auch mit Herdenschutzzäunen wolfssicher zu machen. Große Gefahr sehen die Almbauern weit oben, dort, wo die Schutzmaßnahmen nur schwierig umzusetzen ist. "Wir haben zudem das Problem, dass immer mehr Bauern aufhören. Andere plagen Existenzängste.
Der Wolf erregt die Gemüter
"Auf lange Sicht könnte unsere Kulturlandschaft in Gefahr sein", sagt der Bürgermeister. Nun ist der Wolf erstmals im Dorf aufgetaucht - und das Thema war in den vergangenen Tagen im Ort ein heiß diskutiertes. "Natürlich erregt der Wolf die Gemüter", sagt der Gemeindechef, zumal die Zahl derer, die Landwirtschaft im Voll- oder Nebenerwerb betreiben, im Vergleich groß ist.
Ob der Beutegreifer noch in der Gegend ist? "Das weiß keiner"
"Es gibt mehrere Sichtungen der Bevölkerung aus unterschiedlichen Ortsteilen", sagt Ernst. Andererseits: Die Grenze zu Österreich liegt keine drei Fahrminuten entfernt. "Ob der Wolf noch da ist oder nicht, das weiß keiner", sagt Michael Ernst. Handelt es sich gar um unterschiedliche Wölfe? "Keiner weiß das", antwortet der Rathauschef erneut.
Alle Hinweise würden umgehend an die zuständige Behörde, das Landesamt für Umwelt in Hof, weitergeleitet. "Dessen Sitz ist weit weg, die sind auf die Informationen angewiesen." Das Landesamt für Umwelt hat den Wolf nun im Ort bestätigt. Das Ergebnis hat länger gedauert als zunächst angenommen. Ernst hatte dort mehrmals angerufen und nachgefragt. Ursprünglich hätte die DNA-Analyse vor Weihnachten eintrudeln sollen.
Noch darf der Wolf nicht getötet werden
"Was aber noch nicht bestätigt ist, ist, ob es sich um denselben Wolf handelt, der bereits im Landkreis Rosenheim, in Traunstein und in Anger im Berchtesgadener Land unterwegs war", sagt Ernst. Bald sollen die Erkenntnisse des Landesamtes veröffentlicht werden. Diese Information ist notwendig, um eine von vielen befürwortete Entnahme des Tieres zu rechtfertigen.
Wenn es dasselbe Tier war, wurde es zum Wiederholungstäter. Ernst ist dafür, den politischen Weg zu verfolgen und ein Wolfsmanagement anzustoßen. Schneekatastrophe, Hochwasser, Rekordinzidenzen - und nun der Wolf. Für den Gemeindechef sind das eindeutig zu viele der schlechten Nachrichten. "Ich hoffe, dass sich das nicht auf den Tourismus auswirkt", sagt er.
Großes Konfliktpotenzial
Das Konfliktpotenzial ist groß. Bleibt der Wolf in Marktschellenberg, wären die Landwirte sauer. Gäbe es grünes Licht für eine Entnahme, gingen Tierschützer auf die Barrikaden.
Die Bürgermeister der Nachbargemeinden im Berchtesgadener Talkessel haben bereits miteinander telefoniert, wie man weiter verfahren soll. Die meisten der heimischen Landwirte hätten zudem Konsequenzen gezogen und ihre Tiere erst mal geschützt untergebracht. Mehr könne man aktuell sowieso nicht tun.
- Themen:
- Bayern