Schaeffler-Familie legt NS-Vergangenheit offen
Der mittelfränkische Autozulieferer Schaeffler aus Herzogenaurach war tiefer in die Politik des Dritten Reiches verstrickt als bislang angenommen: Im Betrieb mussten auch Zwangsarbeiter schuften.
Wie das Magazin „Cicero“ am Mittwoch vorab berichtete, ist Schaeffler nicht nur aus der – vormals jüdischen – Davistan AG hervorgegangen. Das Unternehmen habe sich im Zweiten Weltkrieg stark in der Rüstungsproduktion engagiert und dabei auch Zwangsarbeiter beschäftigt.
Das Magazin beruft sich auf den Erlanger Historiker Gregor Schöllgen, der im Auftrag der Familie Schaeffler die Vergangenheit des Unternehmens untersucht und exklusiven Zugang zu den Schaeffler-Archiven hatte. Ein Schaeffler-Sprecher bestätigte die Erkenntnisse auf Anfrage. Den Auftrag für die Untersuchungen hatte die heutige Gesellschafterin Maria-Elisabeth Schaeffler bereits vor einigen Jahren gegeben.
Unter anderem werden erstmals die Zusammenhänge der Verhaftung des 1981 verstorbenen Wilhelm Schaefflers – dem Schwager Maria-Elisabeth Schaefflers, durch die Amerikaner im Jahr 1946 und die Auslieferung an Polen offen gelegt. Demnach warf die Anklage Schaeffler vor, in Polen „zugunsten des Deutschen Reiches“ und „im Auftrag der deutschen Regierung“ an der „Liquidierung des dem polnischen Staat und den polnischen Bürgern gehörenden Besitzes“ beteiligt gewesen zu sein.
Bislang schwieg die Firma über ihre dunkle Vorgeschichte
Das Urteil vom April 1949 des zuständigen Bezirksgerichts habe den Vorwurf auf „jüdisches Eigentum“ ausgeweitet. Wilhelm Schaeffler musste daraufhin für gut vier Jahre ins Gefängnis in Bialystok und Warschau. Er wurde allerdings bereits am 23. Juli 1951 wieder freigelassen.
Bislang hatte die Firma über ihre dunkle Vorgeschichte in Polen geschwiegen. Die offizielle Unternehmensgeschichte der Schaeffler Gruppe beginnt noch heute erst im Jahre 1946 mit der Gründung des Unternehmens INA durch die Brüder Wilhelm und Georg Schaeffler. „Die Brüder Schaeffler sahen keine Veranlassung, ihre frühen Jahre ohne Not kritischen Blicken auszusetzen“, sagte Schöllgen der Zeitschrift. Erst die Witwe Georg Schaefflers, Maria-Elisabeth Schaeffler, habe die Archive öffnen lassen und eine kritische Aufarbeitung der Vergangenheit ermöglicht.
Derzeit bemüht sich Maria-Elisabeth Schaeffler zusammen mit ihrem Sohn Georg um Staatshilfe für das Unternehmen. Das Familienunternehmen hatte sich mit der Übernahme des deutlich größeren Autozulieferers Continental verhoben.
- Themen:
- Mittelfranken