Ruinen und Wucherungen
NÜRNBERG - Auch die noch: Die Albrecht-Dürer-Gesellschaft und die Galerie Bernsteinzimmer umkreisen die Dürers von heute.
„Exil“ heißt die aktuelle Ausstellung in der Galerie Bernsteinzimmer, die sich mit solidarischen Grüßen an die offiziellen Dürer-Haus-Feiern ebenfalls zum 500jährigen Jubilar ernennt. Im Exil arbeitet auch die gebürtige Nürnbergerin Alexandra Leykauf (in Berlin, wo sonst?), der die Albrecht-Dürer-Gesellschaft (noch keine 500 Jahre alt) im ehemaligen Milchhof zusammen mit der kanadischen Wahl-Berlinerin Michele Di Menna eine Doppelschau widmet. Inmitten des aktuellen Vernissagen-Marathons, der die erfahrungsgemäß zählbare Masse von Kunstfreunden in mittelschwere Atemnot bringt. Der stadt(ver)führerische Schrotflinten-Dreiklang „Dürer – Künstler – Könner“ ist da noch nicht einmal berücksichtigt.
Der erste Blick im Milchhof fällt auf ein ins Vergröbernde aufgeblasene Großfoto der zerbombten Wiener Oper. Brennende Theater und der Moment, wo die erdachte Katastrophe in leibhaftige Zerstörung übergeht, haben’s Alexandra Leykauf, die in Nürnberg bei Reuter Malerei studierte, bevor sie in Amsterdam auf Film umsattelte, sichtlich angetan. Mit ratternden Projektoren, Kulissentafeln und Pappmaché mit Sichtbeton-Charme täuscht sie in Endlosschleifen eine nostalgische Suche in Schwarzweiß-Ruinen der Erinnerung vor, die wie flüchtige Fotokopien von Sinnlichkeit erscheinen. Der Spur der Steine folgt auch die Performancekünstlerin Michele Di Menna, die den Ausstellungsraum zum Atelier macht. Zwischen Dachlatten-Tänzern liegen Papierkostüme mit Ziegelstein-Muster bereit: Bei der Eröffnung wird sie dem Publikum als bewegliche Mauer kommen. Tragend ist diese Wand nicht.
Genusssüchtiger Kontrast im Bernsteinzimmer, wo überquellende Aschenbecher, leere Bierflaschen, gestapelte Skizzen und Auslandsdevisen auf einem Atelier-Arbeitsplatz das „Exil“ als Bohème-Parallelwelt zwischen vorauseilendem Klischee und triefender Ironie beschreiben. Drumherum Foto-Dokumente von Biotopen für Wucherungen und Wahnwitz: Günter Derleths bekannte Kunstschüsse von Reiner Bergmanns „Bergmanneum“ auf dem Wolfgangshof zwischen Hans Grassers Graffiti-„Höhlenmalerei und Anders Möhls Fotos von Reiner Zittas Mühlen-Gesamtkunstwerk. „Freudenschauderndes Chaos“ nennt Fredder Wanoth passenderweise einen Dia-Vortrag am 20./21. Juni (20 Uhr).
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Albrecht-Dürer-Gesellschaft (Kressengartenstr. 2): bis 2. August, Mi-So 14-18 Uhr. Bernsteinzimmer (Großweidenmühlstr. 11): bis 26. Juli, Sa/So 15 bis 19 Uhr
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