Rüpel-Rapperin auf Skandal-Suche
Reyhan Sahin ist beim Nürnberger Filmfestival heute mit »Chiko« vertreten. Imagegerecht spielt sie dort eine Prostituierte.
Sie schreibt gerade an ihrer Doktorarbeit über „Semiotik der Kleidung“. Und führt die Aussagekraft von Ver- und Enthüllung auch gerne öffentlich vor. Etwa auf der „Berlinale“, wo Reyhan Sahin, die sich als „Rüpel-Rapperin“ eindeutig Lady Bitch Ray nennt, als Mary Poppins der Aggro-Bewegung auftauchte – in einem bodenlangen weißen Kleid, an zentraler Stelle mit freiem Blick zum Slip. Nebenbei ging es auch um das Kiez-Drama „Chiko“, in dem Sahin neben Moritz Bleibtreu und Denis Moschitto imagegerecht eine Prostituierte spielt. Und das sie wohl heute (21 Uhr) beim Filmfestival Türkei/Deutschland im CineCittà vorstellt. Da stünden die Chancen für Skandal gut: Wer sich aufregt, hat schon verloren.
Studierte Provokateurin
Ob sie dem gerade abgereisten Festival-Ehrengast Zülfü Livaneli als weiteres gelungenes Beispiel der eifrigen deutschen Integrationspolitik gegolten hätte, kann man nur mutmaßen. Fest steht, dass Reyhan Sahin, dem Bremer Kind türkischer „Gastarbeiter“ mit Studium in Germanistik, Linguistik und Sexualpädagogik, solch eine Einschätzung irgendwo vorbeigehen würde. Schließlich hat frau den schlechten Ruf zu verlieren, an dem sie gezielt arbeitet.
Der Kraftausdruck gehört zur Skandalnudel von heute, die zwischen Emanzipation und Ehrenmord um Standpunkte ringt. Folglich bezeichnet sie ihre anstößigen Rap-Songs als „Vagina-Style“, der – Urologen werden jetzt staunen – „Acting, Fucking and Pissing“ bedeute, entwirft den seit Beate Uhse sehnsüchtig erwarteten Freizeitlook eines „Fotzenmantels“ und bezeichnet sich selbst als „Prostituierte“, die jenseits aller Geschmacksfragezeichen eines will: „Keine ist so krass wie ich.“
Die Welt vors Kopftuch stoßen
Die 27-Jährige will die Welt vors Kopftuch stoßen mit ihren Beschimpfungen und Provokationen, die die Gürtellinie als Demarkationslinie des Selbstbewusstseins und der Selbstvermarktung begreifen. „Ich will die Türkin in Deutschland sichtbar machen von einer anderen Seite“, sagte sie der TAZ. Und nimmt auch sonst das Maul gerne voll. Etwa bei der ARD-„Maischberger“. In diesem Auftritt, bei dem das Vulgäre den Stallgeruch der sexistischen Mietskasernen-Rapper symbolisieren sollte, erkannte die Frankfurter Allgemeine spottend ein „armes Provokationswürstchen im goldenen Glitzerdarm“.
Zielorientiert scheint der Freiheitsdrang von Reyhan Sahin nicht zu sein. Möglicherweise wird mit den Unterleibsvisitationen nur eine eigene Moralsuche übertüncht. In ihrem Film-Debüt übrigens spielt sie, veriet sie ihrem Fan-Forum, eine „kleinbürgerliche Türkin, die gerne fickt“. Mal ganz was anderes.daer