Rosenheim: Ein Prozess zum Heulen

Ausgerechnet ein früherer Polizist (67) soll Widerstand gegen Beamte geleistet haben. Dass er jetzt vor Gericht steht, erschüttert sein Weltbild. Die Ehefrau tröstet ihn im Saal.
Rudolf Huber |
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Fassungslos: Der Angeklagte Josef E. muss sich immer wieder von seiner Frau Aloisia trösten lassen.
Fassungslos: Der Angeklagte Josef E. muss sich immer wieder von seiner Frau Aloisia trösten lassen.

ROSENHEIM - Ganz egal, wie der Prozess gegen die Familie E. aus der Nähe von Rosenheim ausgehen wird – ein Urteil steht schon jetzt fest: Der Ex-Polizist und Angeklagte Josef E. (67) hat lebenslänglich bekommen. Denn seine Welt ist unkittbar in Trümmern, seit im November 2010 ein Polizeieinsatz in seinem Haus eskalierte. Am Freitag, beim Prozessauftakt, waren die Folgen für Josef E. deutlich zu erkennen: Er ist nach wie vor mit seinen Nerven am Ende.

Die Suche nach einem ehemaligen Bewohner des Hauses in Pfaffenhofen bei Rosenheim hatte für Josef E., seine Frau Aloisia, seine Tochter und seinen Schwiegersohn fatal geendet (AZ berichtete): Prellungen, Schädeltrauma, verrenkte Finger, Schürfwunden. Schuld sei die Polizei, die sie völlig ohne Not vermöbelt und gefesselt habe – sagt die Familie. Die Polizei drehte den Spieß um: Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage wegen Widerstands.

Beim Prozessauftakt am Freitag ging alles sehr schnell. Zuerst forderten die Anwälte der Familie E. die Einstellung des Verfahrens. Ihrer Ansicht nach haben die Strafverfolgungsbehörden bei ihren Ermittlungen „irreparable Verfahrensfehler” gemacht. Der Grundsatz der Unschuldsvermutung sei verletzt worden.

Die Polizisten sollen versucht haben Beweismaterial, wie Fotos von dem Einsatz die von Aloisia E. gemacht worden waren, zu löschen. Zudem seien ärztliche Atteste nicht in den Polizeibericht aufgenommen worden.

Die Staatsanwaltschaft erklärte, Zeit für die Prüfung der Angaben zu benötigen. Daraufhin unterbrach das Gericht die Verhandlung nach nur einer Stunde. Sie soll am 2. März fortgesetzt werden. Der Richter will die behandelnden Ärzte der Familie und einen Rechtsmediziner laden. Die Verhandlung findet wegen Morddrohungen gegen mehrere Prozessbeteiligte unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen statt.

Für Josef E. war der Gang vors Gericht eine weitere schwere Bestrafung. Er kämpfte um seine Fassung, weinte fortgesetzt, musste sich immer wieder von seiner Frau trösten lassen. Nach 26 Jahren bei der Polizei kann er, so erklärte er letzten September, den Anblick von Polizeiuniformen nicht mehr ertragen. Er hofft auf Gerechtigkeit. Darauf, dass sich die Polizisten vor Gericht verantworten müssen. Und dass sie vom Richter aus dem Dienst entfernt werden.

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