Richter ratlos: Babypause im Prozess

Eine Drogen-Angeklagte (27) musste ihre hungrige Tochter stillen...
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Musste in Prozesspausen ihre drei Monate alte Tochter stillen: die Angeklagte Anna W. (27) auf dem Weg aus dem Gerichtssaal.
Berny Meyer Musste in Prozesspausen ihre drei Monate alte Tochter stillen: die Angeklagte Anna W. (27) auf dem Weg aus dem Gerichtssaal.

Eine Drogen-Angeklagte (27) musste ihre hungrige Tochter stillen...

NÜRNBERG Es sollte aussehen wie ein Familien-Ausflug: Mit ihrem anfangs zweijährigen Sohn Niklas im Mietwagen ging ein Nürnberger Pärchen jahrelang auf Drogeneinkaufs-Tour nach Polen, verkaufte mindestens zwei Kilogramm Amphetamin gewinnbringend weiter. Gestern wurde der Prozess gegen die geständigen Angeklagten aus ungewöhnlichem Grund unterbrochen: Anna W. (27) musste ihr vor drei Monaten in U-Haft geborenes, zweites Kind stillen.

Damit hatte die 7. Strafkammer am Nürnberger Landgericht nun keine Erfahrung: „Wie lange dauert denn Stillen?“, fragte der Vorsitzende Richter Stephan Popp in die Runde, besorgt um seinen Zeitplan. Ratloses Kopfschütteln. Derweil saß die hübsche Anna W. im Keller in einer Zelle und kümmerte sich um ihre hungrige Nelli – 20 Minuten lang.

Fünf Jahre Haft für Anna W.

Drei Jahre lang fuhr das aus Polen stammende Paar nach Breslau, besuchte Verwandte und kaufte Drogen ein. Treibende Kraft war Küchenhelfer Slawomir N. (26, Verteidigerin Nicole Obert), seit Jahren drogenabhängig. Seine Freundin Anna (Verteidiger Markus Wagner) organisierte die Touren, mietete die Wagen an.

Bei der letzten Fahrt im Juni 2008 war Anna W. hochschwanger. Ihr Wagen geriet am Rückweg in eine Verkehrskontrolle in Nürnberg. Bei der Pkw-Durchsuchung fand die Polizei 300 Gramm Aufputschmittel Amphetamin in einem Waschmittel-Karton.

Richter Stephan Popp verurteilte Dealer Slawomir N. zu sechs Jahren Haft, er kommt vorab auf Entziehungskur. Anna W., die kaum Drogen nahm, erhielt fünf Jahre Haft, kann sie mit Nelli in einer Mutter-Kind-Zelle im Frauengefängnis Aichach absitzen. Um Niklas kümmert sich das Jugendamt. „Das war schon übel, den eigenen Sohn bei Drogenbeschaffungsfahrten als Ablenkung zu missbrauchen“, wetterte der Richter. „Vielleicht wissen Sie erst, was Dealer anrichten, wenn Ihre Kinder angefixt heimkommen.“ Beim Urteil hörte man Babygeschrei im Gang. Nelli, im Arm einer Verwandten, hatte wieder Hunger. cis

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