Razzia bei Audi in Ingolstadt: Diesel-Affäre von VW weitet sich aus

München/Ingolstadt - Es war einer der größten anzunehmenden Unfälle in der Public Relation-Geschichte: Eine Stunde vor Beginn der internationalen Bilanzpressekonferenz von Audi in Ingolstadt erscheint Unternehmenssprecher Jürgen De Graeve vor den Journalisten und teilt mit, dass die Staatsanwaltschaft im Hause sei. Seit sieben Uhr morgens. Man kooperiere mit den Beamten. Im zentralen Verwaltungsgebäude packten Polizisten Akten in Kartons, ebenso am Audi-Standort Neckarsulm "sowie an sieben weiteren Orten", wie die Staatsanwaltschaft München II mitteilte.
Audi-Vorstandschef Rupert Stadler zeigte sich gefasst, aber auch zugeknöpft. Immerhin schienen bei ihm zu Hause keine Ermittler aufgetaucht zu sein. Bislang habe er von seiner Frau noch keinen Anruf erhalten, so der Konzernchef gegen 10 Uhr. Ob sich die Fahnder in seinem Büro umsahen, ließ er offen.
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Gegenstand der Ermittlungen sei der Verkauf von etwa 80.000 Audis, die mit dem von den Ingolstädtern entwickelten V6-Dreiliter-Dieselmotoren ausgestattet wurden und von 2009 bis 2015 auf dem US-amerikanischen Markt vertrieben wurden, erklärte die Staatsanwaltschaft.
Es bestehe der Verdacht, dass diese Fahrzeuge Vorrichtungen zur Manipulation der Abgaswerte enthielten. Mit den Durchsuchungen solle geklärt werden, welche Personen an diesen Betrugsmanövern beteiligt gewesen seien.
Die erstrebte Rendite wird 2016 deutlich unterschritten
An allen Ecken und Enden des Audi-Konzerns brennt es: 1,6 Milliarden Euro hat Audi nach Angaben von Finanzvorstand Axel Strotbeck "für das Thema Diesel" zurückgelegt, weitere 162 Millionen Euro für das Desaster mit dem Airbag-Hersteller Takata. Das drückte das operative Ergebnis für 2016 bei einem Umsatz von 59,3 Milliarden Euro auf 3,1 Milliarden Euro und eine Umsatzrendite von 5,1 Prozent. Langfristig angestrebt sind acht bis zehn Prozent.
Dennoch ging Audi nur mit einem leicht blauen Auge und einer Absatzsteigerung um 3,6 Prozent auf 1,87 ausgelieferte Audis aus dem Jahr 2016 heraus. Das neue Jahr begann allerdings gleich wieder mit Schwierigkeiten, diesmal auf dem mit Abstand größten Einzelmarkt China. Dort traten die Audi-Händler in eine Art "Bummelstreik" (Vertriebsvorstand Dietmar Voggenreiter), weil sie um ihren Profit in Folge eines Umbaus der Händlerstruktur befürchten.
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Im Januar verkaufte man dort jedenfalls um 35 Prozent weniger Autos als im Vorjahr, im Februar betrug das Minus 5,8 Prozent. Durch Versprechen auf viele neue schöne Modelle werde man "den Knoten wieder rausbringen", versicherte Voggenreiter.
Ein halbes Jahr bevor Donald Trump zum US-Präsidenten wurde, lief die Audi-Q5-Produktion im mexikanischen San José Chiapa an. Ein Drittel der dort hergestellten Fahrzeuge wird in die USA geliefert. Der für Beschaffung zuständige Vorstand Bernd Martens machte auf gelassen: "Erst mal machen wir uns keine großen Sorgen".
Vorstandschef Stadler wollte die Lust auf das "Produktfeuerwerk" wecken, mit dem sich Audi aus den diversen Problemen ziehen will. "Uns ist um die Zukunft nicht bang", behauptete Stadler. Der Audi-Chef glaubt, mit der Diesel-Krise "die schlimmste Disruption aller Zeiten" bewältigt zu haben. Tatsächlich hat Finanz-Vorstand Axel Strotbek für 2017 keine weiteren Rückstellungen für das geplant, was nun auch Vorstandschef Stadler als "Diesel-Affäre" bezeichnete.