Interview

Raus aus dem Alltag, rein in die Wildnis - diese Rangerin macht's vor

Auf Gefühle hören, abwägen, handeln: Das macht Katrin Klewitz seit Jahren. Jetzt hat die Rangerin ein Buch über die Stärken der Frau geschrieben.
Claudia Hagn
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Klewitz als Ranger Field Guide im südafrikanischen Nationalpark: Aufstehen und ihr Ding machen - das bedeutet für die ausgebildete Schauspielerin wahre Stärke
Klewitz als Ranger Field Guide im südafrikanischen Nationalpark: Aufstehen und ihr Ding machen - das bedeutet für die ausgebildete Schauspielerin wahre Stärke © Anthon Wessels

Immer dasselbe machen - das ist nichts für Katrin Klewitz. Die 39-Jährige ist über eine professionelle Kampfchoreografenausbildung für Schauspiel und Bühne mittlerweile zu dem gekommen, was sie seit jüngster Kindheit machen wollte: In der Wildnis sein, über die Wildnis lernen.

Dort kam sie mit sich selbst ins Reine. Jemand sein, der aufsteht und sein Ding macht; das macht für Katrin Klewitz die Stärke eines jeden aus.
Aufgewachsen ist die ausgebildete Schauspielerin auf einem Hof nahe Landshut, mittlerweile lebt sie mit ihrem Mann bei Vilshofen (Kreis Passau). Von dort und ging sie, vorher Fahrlehrerin, 2018 nach Südafrika, um sich als Nationalpark-Ranger-Field-Guide ausbilden zu lassen, knapp eineinhalb Jahre lang.

Jetzt hat sie ein Buch geschrieben: "So sehen Siegerinnen aus", heißt es. Es handelt davon, wie sich Frauen im Leben behaupten, ihre Stärke finden und erfolgreich sein können - in jeder brenzligen Situation und Auseinandersetzung. Die AZ hat mit ihr darüber gesprochen.

Frau Klewitz, Sie haben die Ausbildung zum Ranger Field Guide in Afrika gemacht - was muss man sich darunter vorstellen?
Ich führe Gruppen durch den Busch. Vorher habe ich gelernt, wie man läuft, wie man sich an Tiere annähert, wo der Wind herkommt, welche Spuren man lesen kann. Ich durfte über 105 Vogelstimmen lernen - und auch die Fähigkeit trainieren, zu hundert Prozent jeden Moment da zu sein. Weil man Tiere keineswegs in Aufruhr versetzen will; wenn sie einen spüren, bedeutet das für sie Rennen, Energieverlust und damit noch mehr Nahrungsaufnahme. Das wollen wir nicht. Man muss sicher führen können, navigieren und sich orientieren.

"Was mache ich hier eigentlich?"

Das klingt so ganz anders als das Leben als Kampfchoreografin und Schauspielerin, das Sie vorher hatten...
Ja, ich wollte irgendwie raus aus dieser manchmal für mich oberflächlich empfundenen Theater- und Filmwelt. Ich dachte mir nach einer sehr belanglosen Konversation in der Branche irgendwann: Was mache ich hier eigentlich? Und dann bin ich einfach aufgestanden, gegangen und habe das gemacht, was ich immer machen wollte. Durch lauter kleine Entscheidungen bin ich dann nach Afrika gekommen. Mein Vater hat immer gesagt: Der Tod sitzt auf deiner linken Schulter und er wird dir zeigen, was du machen willst. Als dann mein Vater sehr plötzlich gestorben ist, wusste ich: Jetzt muss ich anfangen, zu planen. Oft sind es eben die schwierigen Zeiten, in denen man da hinkommt, wo man hin soll.

Und das mit Afrika hat dann gleich geklappt?
Ich wollte eigentlich nach Kanada - da war es meinem Mann zu kalt (lacht). Dann habe ich recherchiert und bin zuerst drei Monate nach Südafrika gegangen, um mir das alles anzuschauen. Als mich mein Mann dort besucht hat, meinte er: Das ist genau das, was du machen willst, oder? Diese Aussage von ihm hat es dann einfach gemacht, Deutschland für über ein Jahr zu verlassen.

"Besser verheiratet als vorher"

Sind Sie noch mit Ihrem Mann verheiratet?
Ja. Ich glaube sogar, ich bin jetzt besser mit ihm verheiratet als vorher.

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Wann geht es für Sie wieder nach Afrika?
Eigentlich wäre ich gerade jetzt mit drei Reisegruppen dort; aber Corona hat meine Pläne geändert. Ich würde gerne meine Ranger-Tätigkeit auch mit meinen Konfliktmanagement-Seminaren verbinden: Wenn man vor einem Elefanten im Busch stehen bleiben kann, kann man das nämlich auch vor seinem brüllenden Chef.

"Sich selbst in die Stärke bringen"

Wo wir beim Thema Ihres neuen Buchs wären: Es heißt "So sehen Siegerinnen aus" - Worum geht's?
Das Buch soll dabei helfen, zurück zu seiner eigenen, vielleicht etwas ungezähmten Haltung und Natur zu kommen. Und sich selbst in die Stärke zu bringen, damit wir auch auf unserem Planeten gemeinsam etwas ändern können, sowie Wildheit und Ungezähmtheit mit etwas anderen Augen und mehr Wertschätzung wahrnehmen zu können. Und Konflikte auch als Wachstumsgrenze betrachten zu lernen.

Können Sie sich erklären, wieso es vielen Frauen immer noch schwerfällt, auf den Tisch zu hauen?
Weil Frauen ganz stark im Kopf haben, sie sollten nicht als hysterisch gelten. Bei Männern denkt man da oft, wenn sie auf den Tisch hauen, dass sie tolle Hechte sind. Frauen sagt man nach, sie seien hysterisch.

An was liegt das?
Ich denke, das hat etwas mit der Gesellschaft in den vergangenen Jahrhunderten zu tun. Frauen dürfen im Vergleich erst kurz wählen und brauchten lange die Erlaubnis des Mannes, um arbeiten zu dürfen. Das sind Dinge, die wohl immer noch greifen.

"Kein Gefühl ist von Dauer"

Wie befreit man sich als Frau daraus, wenn man merkt: Ich kann mich schlecht durchsetzen?
Es sind Kleinigkeiten, die jede ändern kann. Wenn man sich unwohl fühlt, tendieren viele Frauen dazu, die Schultern hochzuziehen und zu gehen oder sich zu entschuldigen und den anderen nicht anzuschauen. Da sollte man einfach mal ruhig sitzen bleiben und den Blick halten. Ganz bewusst. Wenn man eine Bewegung macht, sollte man sie bewusst machen. Viele haben ja auch das Problem, dass sie denken, sie seien nicht schlagfertig. Das stimmt: Man ist in dem jeweiligen Moment nicht schlagfertig. Die seltensten Menschen sind in diesen Situationen schlagfertig; und wenn sie es sind, sind sie durch bestimmte Phasen schon durch und können die Ruhe behalten. Man muss aber nichts sagen. Eine wortlose innere Haltung mit guter Ausstrahlung kann schon viel bewirken. Und daran kann man arbeiten, sie sich ein Stück bewusst machen. Man kann Haltung trainieren.

Und wie halte ich mich im Zaum, wenn ich völlig ausrasten will?
Wenn man bereits Rot sieht, ist das Problem, dass man nicht mehr viel tun kann. Wenn es geht, heftig einatmen, den Körper anspannen und heftig ausatmen, dabei den Körper entspannen. Das einige Male wiederholen, damit sich die muskuläre Anspannung abbauen kann. Ansonsten: nichts. Man sollte alles innerlich durchleben und die auftauchenden Gefühle nicht verurteilen - und auch uns selbst nicht dafür, dass wir fühlen, wie wir fühlen. Äußerlich sollten wir dann einfach erst mal nichts tun, es nicht zum Gegenüber tragen und an ihm auslassen. Mich entlastet allein dieser Gedanke, dass ich eben nichts tun muss. Es ist jetzt gerade so, und im nächsten Moment kann und wird es anders sein. Darauf können wir uns verlassen: Unser Gemütszustand wird sich ändern. Kein Gefühl ist von Dauer.

"Das Leben sollte man locker nehmen"

Ist das normale Leben ein Kampf?
Ich denke, manchmal schon.

Und wieso ist das Leben für manche ermüdender als für andere?
Es hat viel mit der eigenen Beurteilung zu tun. Und es ist an jedem Tag für jeden unterschiedlich. Manchmal läuft es besser, manchmal schlechter. Der Punkt ist: Die, die immer alles gegen sich sehen, für die ist es schwieriger. Man sollte das Leben einfach lockerer nehmen. Jeder muss durch Situationen durch, die nicht leicht sind. Und manche treffen Entscheidungen, die es verstärken, dass sie in Schwierigkeiten stecken.

"Frauen wollen es allen immer recht machen"

Reflexion wäre also wichtig?
Ja. Reflexion, Resilienz und sich selber zuzuhören. Die, die das können, tun sich leichter. Einfach sich selbst vertrauen bei einer Entscheidung und zu sehen, was für einen selber wichtig ist. Da tun sich Frauen oft schwerer, weil sie es allen immer recht machen wollen - oder denken, sie sind für die Harmonie zuständig. Sind sie aber nicht.

Was haben Sie in Ihrer Zeit als Rangerin in Afrika für dieses Buch gelernt?
In Afrika geht es mehr um Leben, Überleben und im Busch auch um gemeinsames Sitzen am Lagerfeuer und Wahrnehmen. Man fühlt, dass viele Situationen weder kontrollierbar noch zu versichern sind. Was wir hierzulande ja gerne tun. Mir nimmt es dadurch Ballast weg und ich fühle mich mehr als Teil des Ganzen. Es gibt einige, wenige Regeln, die unverrückbar und von der Natur und nicht von uns vorgegeben sind. Die zählen, alles andere ist nicht so wichtig. Das entschlackt ungemein. Eigenverantwortung ist zudem etwas, was ich dort sehr zu schätzen gelernt habe. Klar ist dort nicht alles rosig. Es ist ein schwieriges Land mit viel Konfliktpotenzial, aber auch viel Freiheit, Freude und Vielfalt.

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