Raben greifen Schafe an
Türkheim - Was Schäfer Franz Rehle und sein Sohn Roland in den letzten Wochen erleben mussten, erinnert an Alfred Hitchcocks Horror-Klassiker „Die Vögel”: Ein Schwarm aggressiver Kolkraben tyrannisiert ihre Herde, tötet Jungtiere und ihre Mütter. „Über 40 Lämmer und fünf Mutterschafe sind schon Opfer von diesen Kolkraben geworden”, klagt Franz Schäfer, der in Türkheim im Unterallgäu einen Bio-Schafhof betreibt.
Beim Landesbund für Vogelschutz (LBV) bezweifelt man die Darstellung der verzweifelten Bauern. „Es ist sehr unwahrscheinlich, dass Kolkraben für den Tod der Schafe verantwortlich sind. Es liegt nicht in ihrer Natur, ein gesundes, lebendes Tier zu reißen”, sagt LBV-Expertin Anne Schneider. Raben seien sehr intelligent. Und da sie gerne die Nachgeburt von Schafen fressen, seien sie oft bei Schafherden anzutreffen. „Wenn die merken, dass eine Geburt ansteht, halten sie sich in der Nähe auf. Aber nicht, um das Jungtier zu töten.”
Doch genau das will Roland Rehle auf seiner Weide beobachtet haben: drei Kolkraben, die auf ein neugeborenes Lamm einhackten. „Dann habe ich es halt mit heim genommen, aber ich glaube nicht, dass es durchkommt”, erzählt der Schäfer.
Zu viele Jungtiere haben er und sein Vater schon verloren. Der Senior zeigt auf zwei tote Tiere: Den Lämmern wurden die Augen ausgepickt. Aus den aufgerissenen Aftern haben die Raben die Eingeweide gezogen.
Vor allem bei Zwillingsgeburten schlügen die Vögel blitzschnell zu, sagt der Landwirt. Normalerweise lecke das Mutterschaf ihr Junges nach der Geburt sauber, kurz darauf stehe es auf eigenen Beinen. Dann sei das Schlimmste überstanden. „Kommt aber ein zweites Lamm auf die Welt, lässt die Mutter das Erstgeborene liegen, und schon picken die Raben drauflos!”
Rehle weiß sich nicht zu helfen. „Das bedroht uns in unserer Existenz.” Früher habe es das Problem nicht gegeben, da seien Raben nur vereinzelt aufgetaucht. Doch jetzt gebe es in der Umgebung zwei Biogasanlagen. Dort fänden die Vögel das ganze Jahr über Futter, deswegen kämen immer mehr.
Bei den Behörden fand der Schäfer zunächst wenig Gehör. „Bis ich ins Landratsamt nach Mindelheim bin und so ein verletztes Schaf mitgenommen habe. Dem haben die Eingeweide hinten rausgeschaut. Ich musste es erschießen, aber die sollten das sehen!”
Kolkraben sind laut Bundesjagdgesetz ganzjährig geschont. Allerdings hat die Bezirksregierung von Schwaben nun dem Abschuss einzelner Tiere zugestimmt – als sogenannte Vergrämungsmaßnahme. „Da Kolkraben sehr intelligente und lernfähige Tiere sind, ist zu erhoffen, dass die Raben auf diese Weise vertrieben werden können”, heißt es in einer Stellungnahme des Landratsamtes Unterallgäu.
Ein Jäger hat mittlerweile die ersten beiden Raben abgeschossen. Schäfer Franz Rehle glaubt jedoch nur bedingt an den Erfolg dieser Maßnahme. „Im Moment ist Ruhe. Aber in spätestens vier Wochen geht das doch wieder von vorne los.”
Ein Drittel seiner 700 Tiere hat er jetzt in den Stall geholt. „Sonst krieg ich doch gar kein Junges mehr durch”, sagt der Schäfer.
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