„Pyramiden sind natürlich unverzeihlicher Kitsch“

Der Regie-Aufsteiger Jens-Daniel Herzog spricht im AZ-Interview über seine Inszenierung von Verdis „Aida“ am Nürnberger Opernhaus.
von  Abendzeitung
Bei der Nürnberger Proben-Arbeit: Der prominente Gastregisseur Jens-Daniel Herzog (li.) und sein Team.
Bei der Nürnberger Proben-Arbeit: Der prominente Gastregisseur Jens-Daniel Herzog (li.) und sein Team. © Jutta Missbach

NÜRNBERG - Der Regie-Aufsteiger Jens-Daniel Herzog spricht im AZ-Interview über seine Inszenierung von Verdis „Aida“ am Nürnberger Opernhaus.

Er ist der prominenteste Regisseur, den sich Staatstheaterintendant Peter Theiler für seine erste Nürnberger Spielzeit geholt hat: Jens–Daniel Herzog, gefeiert für seine Schauspielinszenierungen, ist mittlerweile fast vollständig zur Oper gewechselt und bringt am 31. Januar in Nürnberg Verdis „Aida“ auf die Bühne. Erstmals ist Ensemble-Mitglied Mardi Byers zu erleben: Sie singt die äthiopische Prinzessin Aida, die als Gefangene in Ägypten zwischen dem Feldherrn Radames und der Königstochter Amneris zum Spielball von Politik und Gefühlen wird.

AZ: Herr Herzog, Sie arbeiten zum ersten Mal in Nürnberg. Wie kommt’s?

JENS–DANIEL HERZOG: Peter Theiler hat mich vor zwei Jahren angesprochen, nachdem er eine Inszenierung in Mannheim gesehen hatte. Später hat er mir konkret „Aida“ angeboten, meinen ersten Verdi.

Und wie läuft es?

Einige Sänger sind krank, da ist das Arbeiten nicht ganz einfach. Verdis Musik ist auf der Bühne eine wahnsinnige Behauptung. Man muss szenisch begründen, warum gesungen wird. Mit Stell-Doubles kann man das nicht erarbeiten.

„Aida“ steht für Kulissenzauber wie in Verona, aber auch seit Neuenfels für radikale Neuinterpretationen. Wo siedelt Ihre Inszenierung an?

Pyramiden und ein Triumphmarsch wie in Verona sind natürlich indiskutabler Kitsch. Aber diese Prachtentfaltung liegt nicht nur in der Rezeptionsgeschichte, sondern auch im Stück. Unser Zugang ist der über das Kammerspiel, das Drama von Aida, Amneris und Radames. Man muss ihre inneren Konflikte ernst nehmen.

Wie passen da die Massenszenen hinein?

Der Chor wird zum Druckverstärker einer inneren Situation. Auch der Triumphmarsch hat eine dramaturgische Funktion: In der vorhergehenden Szene erfährt Amneris, dass Aida Radames liebt. Ihr erster Impuls ist, die Rivalin töten zu lassen. Doch als sie die Triumphgeräusche von außen hört, entscheidet sie sich, Aida zu demütigen und mit ihr als Sklavin den Sieger Radames zu empfangen. Der Triumphmarsch ist eine Folter für Aida — die Äthiopier müssen ihre eigene Niederlage besingen! Dabei ist es uninteressant, welches Imperium siegt und welches besiegt wird; es geht nicht um einen Konflikt zwischen Ägypten und Äthiopien, sondern um den zwischen Macht und Liebe.

Also keine „Schuhcreme“ für Mardi Byers?

Aida muss nicht schwarz sein. Wir haben uns für eine klare Ästhetik entschieden. Mathis Neidhardt hat dafür einen engen, konzentrierten Raum gebaut, in dem die Musik auch als Gewalt sinnlich erfahren werden kann.

1999 haben Sie ihre erste Oper inszeniert, seit einigen Jahren machen Sie hauptsächlich Musiktheater. Warum?

Es macht mir wahnsinnig viel Spaß, es ist fast ein neuer Beruf, den man erlernt. Die Musik ist eine unheimliche Herausforderung, man muss auf sie als zusätzlichen Ball im Spiel reagieren. Beim Schauspiel fehlt mir zudem der Chor, die Masse als Subjekt von Geschichte. Und den Vorwurf, den man der Oper gerne macht, dass das Repertoire so begrenzt ist und sich kaum erweitert, lässt sich nicht halten. Auch in der Oper kann man Neues entdecken. Ich habe Strauss’ „Intermezzo“ inszeniert, Mendelssohns Oratorium „Elias“ und mache nun in Zürich Haydns „La fedeltà premiata“. Das gehört alles nicht zu den Dauerbrennern.

Sie haben bislang vor allem in Zürich und Mannheim gearbeitet.

Das ändert sich jetzt. In beiden Orten hatte ich schon am Schauspiel inszeniert. Der große Unterschied ist, dass Zürich einen enorm leistungsfähigen Apparat besitzt. Das liegt natürlich auch an deren finanzieller Ausstattung. Es ist schon toll, wenn ein Bühnenbild innerhalb von kürzester Zeit auf- oder abgebaut werden kann. Der deutsche Theaterbetrieb ist da viel träger.

Werden Sie trotzdem wieder in Nürnberg inszenieren?

Bis zur Premiere ist ja noch etwas Zeit. Aber sagen wir mal so: Wir sind im Gespräch.

Interview: Georg Kasch

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