Prozess zum Mordfall Hanna W. unterbrochen: Urteil verzögert sich

Traunstein - "Wir wollen die Wahrheit wissen. Wir wollen keinen Unschuldigen verurteilen." Dieser Satz von Vorsitzender Richterin Jacqueline Aßbichler steht über dem aufwendigen Indizienprozess der Zweiten Traunsteiner Jugendkammer gegen Sebastian T., dem 21-jährigen Auszubildenden, der für den Tod der Studentin Hanna W. (23) am 3. Oktober 2022 in Aschau verantwortlich sein soll.
Prozess zum Eiskeller-Mord ist eines der größten Verfahren am Landgericht Traunstein
Das Gericht will nach Aßbichler jeder Spur nachgehen, um Licht in den "Eiskeller"-Mord zu bringen. Das Verfahren wird wohl eines der größten in den letzten drei Jahrzehnten am Landgericht Traunstein.
Die Suche nach der Wahrheit erfordere eine akribische Spurensuche, die Abwägung von Fakten und Indizien, eine Klärung möglichst bis ins letzte Detail – mit extremem Ermittlungs- und Zeitaufwand über viele Monate.
Urteil war eigentlich für dieses Jahr geplant – nun verzögert es sich bis Februar
Im Mordfall Hanna W. steht nach 14 Verhandlungstagen fest: Die im Sommer anberaumten 27 Verhandlungstage werden nicht ausreichen. Das für kurz vor Weihnachten geplante Urteil wird frühestens im Februar 2024 ergehen.
Die Leiche der Medizinstudentin hatte ein Lehrer am Nachmittag des 3. Oktober 2022 bei Kaltenbach im Fluss Prien entdeckt. Die 23-Jährige wurde vermutlich mit einem Gegenstand niedergeschlagen und verlor das Bewusstsein. Danach wurde sie in den Bärbach, einen Zufluss der Prien, geworfen.
In wenigen Minuten ertrank die Studentin in dem zehn Grad kalten Gewässer, das nach starken Regenfällen extremes Hochwasser führte. Einen halben Tag lang trieb die Leiche zwölf Kilometer flussabwärts, ehe sie gefunden wurde.
Über 2.100 Personen wurden in dem Mordfall erfasst – unter anderem der verdächtige "Jogger"
Die Kripo Rosenheim erfasste in dem Mordfall über 2.100 Personen, vernahm bis zu Prozessbeginn fast 1.200 Zeugen, vergab knapp 1.500 Ermittlungsaufträge an andere Dienststellen und Sachverständige. Relativ früh war die Rede von einem unbekannten nächtlichen "Jogger", der in der Nacht des 3. Oktober 2022 joggen gewesen sei. Zunächst fand der junge Mann auf alle Fragen der Kripo harmlose Erklärungen. Eine Zeugin berichtete am 17. November 2022, sie habe im Bereich des eventuellen Tatorts einen "Jogger mit Stirnlampe" gesehen. Eine andere Zeugin schilderte "einen Schrei, einen schrecklichen Schrei" zur fraglichen Zeit.
Inzwischen kamen mehrere Zeugen hinzu
Am 18. November 2022 wanderte der 21-Jährige in Untersuchungshaft. Seit Mitte Oktober sitzt er wegen Verdachts auf "heimtückischen Mord" an Hanna auf der Anklagebank.
Das Gericht musste und muss die Entwicklung in der Beweisaufnahme ständig berücksichtigen. Zu den anfangs gut 60 Zeugen kamen inzwischen mehrere hinzu. Ein Mitgefangener des Angeklagten war etwa überraschend bereit zu einer Aussage. Drei weitere Gefangene wurden kurzfristig eingeschoben und brachten den Zeitplan durcheinander.
Richterin: An Tagen mit bunten Zeugen springen die Themen hin und her
Neben Erkrankung von Zeugen ist das Vertiefen von Informationen auch eine Ursache für Ablaufänderungen. Ein Beispiel sind die Geodaten von mehreren Handys – als mögliche Indizien für ein Zusammentreffen des Tatverdächtigen mit dem Opfer in der Nacht des 3. Oktober 2022. An Tagen mit "bunten Zeugen", wie es Jacqueline Aßbichler formulierte, springen die Themen hin und her. Oft ist es dann schwierig, die Aussagen der richtigen Stelle in dem komplizierten Indizienverfahren zuzuordnen.
Der Prozess, bislang an jedem Tag begleitet von mehr als 100 Zuschauern, wird am Mittwoch fortgesetzt.