Prozess um "zerstückelten" Bauern geht zu Ende

Erst hieß es, der Bauer sei zerstückelt an die Hunde verfüttert worden, dann fand man seine Leiche im Fluss: Jetzt sind im Prozess die Plädoyers gesprochen.
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Rudi R.: 2009 fand man die Leiche: in seinem Auto
dpa Rudi R.: 2009 fand man die Leiche: in seinem Auto

Erst hieß es, der Bauer sei zerstückelt an die Hunde verfüttert worden, dann fand man seine Leiche: Jetzt sind im Prozess die Plädoyers gesprochen.

 Landshut - Im spektakulären Prozess um den ermordeten Landwirt Rudolf R. fällt heute das Urteil vor dem Landgericht Landshut. Die angeklagte Witwe Hermine R., ihre Tochter und deren Freund dürfen auf einen Freispruch hoffen – aus Mangel an Beweisen. Im ersten Verfahren waren sie wegen Mordes verurteilt worden. Sie sollen die Leiche an die Hofhunde verfüttert haben. Jahre später fand man den Toten in der Donau.

Die Verteidiger der Angeklagten forderten gestern in ihren Plädoyers durchwegs Freisprüche für ihre Mandanten. Es gebe in diesem Fall nur Spekulationen, und die reichten nicht für eine Verurteilung aus. Die falschen Aussagen der Angeklagten seien unter Druck entstanden. Die Verteidiger warfen in dem Verfahren der Kripo vor, mit illegalen Ermittlungsmethoden die Angeklagten unter Druck gesetzt zu haben.

Im ersten Verfahren im Mai 2005 war das Landgericht Ingolstadt zu dem Schluss gekommen, dass die Angehörigen dem Landwirt aus Neuburg a. d. Donau 2001 den Schädel eingeschlagen, die Leiche zerstückelt und Teile davon den Hofhunden zum Fraß vorgeworfen hatten.

Wiederaufnahme im Herbst 2010

Im Frühjahr 2009 erfuhr der Fall dann aber eine spektakuläre Wendung, als in der Donau die äußerlich unversehrte Leiche des vermeintlichen Mordopfers gefunden wurde. Seit Herbst 2010 war der Fall dann in einem Wiederaufnahmeverfahren vor dem Landgericht Landshut neu aufgerollt worden. Beobachter hatten den Prozess wegen der außergewöhnlichen Umstände im Vorfeld als historisch eingestuft. Staatsanwalt Ralph Reiter forderte in seinem Plädoyer Haftstrafen von jeweils sieben Jahren und sechs Monaten für die Ehefrau des vermeintlichen Opfers und den Freund einer Tochter. Sie hätten sich des gemeinschaftlichen Totschlags schuldig gemacht.

Für die mitangeklagte Tochter beantragte Staatsanwalt einen Freispruch. Das Verfahren gegen eine weitere mitangeklagte Tochter war im Laufe des Prozesses abgetrennt worden, weil die junge Frau ein Kind erwartet und wegen der Schwangerschaft nicht mehr verhandlungsfähig war. Ehefrau und Freund hätten der zerrütteten Familienverhältnisse wegen ein Motiv für die Tat gehabt, argumentierte der Staatsanwalt. Als der damals 52 Jahre alte Landwirt in der Tatnacht dann betrunken aus dem Wirtshaus heimkommen und im Treppenhaus gestürzt sei, hätten sie die Gelegenheit genutzt und den Mann vermutlich mit einem Knüppel erschlagen.

 „Frontalangriff auf Ermittlungsbehörden“

Die Verteidigung habe während des Prozesses einen „Frontalangriff auf die Ermittlungsbehörden“ gefahren, sagte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer. Vorwürfe, die damals ermittelnden Polizisten hätten zahlreiche Verfahrensfehler gemacht, etwa bei der Spurensicherung und der Protokollierung von Aussagen, seien seiner Meinung nach jedoch nicht stichhaltig. Auch die von den Anwälten wiederholt geäußerte Kritik, ihre einfach strukturierten Mandanten seien während der Verhöre in unzulässiger Weise unter Druck gesetzt worden, sodass es zu eklatanten Falschaussagen gekommen sei, wies Reiter zurück. „Die Grenzen wurden in keinem Fall überschritten.“ Rechtsanwältin Regina Rick sagte im Plädoyer, der Fall sei angesichts der vielen Verfahrensfehler geeignet, „das Vertrauen in die Strafjustiz zu erschüttern“.

Die Anklage habe bis heute keinen stichhaltigen Beweis geliefert, dass der Landwirt tatsächlich umgebracht worden sei. Die Obduktion der Leiche habe ergeben, dass der Mann nicht erschlagen wurde. Auch die Tatsache, dass Ehefrau und Tochter wochenlang intensiv nach dem verschwundenen Mann gesucht hätten, spreche gegen die Theorie vom gemeinschaftlichen Totschlag.

 Vermeintliches Opfer war krank und ruiniert

Nach Ansicht von Rechtsanwalt Bernd Scharinger muss das Gericht bei der Urteilsfindung in Betracht ziehen, dass der bei seinem Verschwinden 52 Jahre alte Landwirt möglicherweise Selbstmord begangen hat. Der Mann sei damals schwer krank, gesellschaftlich isoliert und in finanziellen Schwierigkeiten gewesen. Das Gericht will am Freitag ein Urteil sprechen.

Entscheidung am Freitag

Der Staatsanwalt forderte für Hermine R. (55) und Matthias E., den Freund ihrer Tochter Manuela (26) siebeneinhalb Jahre Haft wegen gemeinschaftlichen Totschlags. Eine Beteiligung der Tochter sei nicht bewiesen, deshalb solle sie straffrei ausgehen. Das Strafverfahren gegen die zweite Tochter Andrea ist ausgesetzt, weil sie schwanger wurde.

Prozessbeobachter rechnen damit, dass das Landgericht die drei Angeklagten aus Mangel an Beweisen freispricht. Grund: Im Verlauf des Verfahrens sei es nicht zweifelsfrei gelungen, die jeweilige Tatbeteiligung nachzuweisen.

 



 

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