Prozess nach Mord im Chiemgau: Ein Lehrer fand Hanna (†23)

Traunstein - Dem Rat der Richterin an Hannas Eltern und ihren Bruder, der Verhandlung am Donnerstag fernzubleiben, folgten die Nebenkläger. Der Hintergrund: Die Zweite Jugendkammer am Landgericht Traunstein mit der Vorsitzenden Richterin Jaqueline Aßbichler befasste sich mit der Leichenbergung. Bilder von der Toten waren für jeden sichtbar. Bei den Zeugenanhörungen ordnete die Kammer – um die Persönlichkeitsrechte der toten Hanna (†23) zu wahren – ein absolutes Fotografierverbot an.
Sebastian T. (21) sagte auch am sechsten von 27 Prozesstagen kein Wort zu den Vorwürfen der Staatsanwälte Wolfgang Fiedler und Florian Jeserer. Er soll Hanna W. laut Anklage am 3. Oktober 2022 gegen circa 2.30 Uhr auf dem etwa 900 Meter langen Heimweg vom Lokal "Eiskeller" zu ihrem Elternhaus in Aschau in sexueller Absicht verfolgt, bewusstlos geschlagen und in den Bärbach geworfen haben.
"Dachte zuerst an eine Gummipuppe": Lehrer findet Hannas Leiche in der Prien
Hanna ertrank innerhalb weniger Minuten, wie die Obduktion zeigte. Die Leiche wurde einen halben Tag später zwölf Kilometer weiter in der Prien im Ortsteil Kaltenbach geborgen. Ein Lehrer hatte am 3. Oktober 2022 mit seiner Tochter (9) einen Spaziergang unternommen. Er entschied sich für den Rückweg entlang der Prien, während das Mädchen am Waldrand nach Hause ging.

Plötzlich kam dem 43-Jährigen im noch immer viel Wasser führenden Fluss "etwas komisch" vor. Er glaubte, zwei Turnschuhe im Wasser zu sehen und wechselte über eine etwas entfernte Brücke auf die andere Seite des Gewässers. Der Zeuge erinnerte sich: "Ich dachte an eine Gummipuppe – vielleicht von einem Junggesellenabschied." Beim genauen Hinschauen sah er ein mit Unterwäsche bekleidetes Gesäß geringfügig aus dem Wasser ragen. Der Lehrer verständigte über Notruf die Polizei.
Nach dem Fund der Leiche waren sofort Feuerwehr und Rettungskräfte herbeigeeilt
Später habe er von einem Feuerwehrmann von einer "schwierigen Bergung" erfahren. Auf die Frage, ob der Fundort auch der Tatort gewesen sein könnte, erwiderte der Lehrer: "Es war absurd, dass es dort in dem dicht bewachsenen Gelände passiert sein konnte." Die Einsatzzentrale entsandte auf den Notruf hin an jenem Nachmittag eine Streife der Polizeiinspektion Prien. Eine Beamtin hatte im Gedächtnis, die Tote habe sich mit dem Gesicht nach unten mit einem Fuß im Gebüsch verfangen gehabt.
Feuerwehr, Rettungsdienst und weitere Einsatzkräfte seien eingetroffen. Wegen möglicher Eigengefährdung für Taucher durch den hohen Wasserstand wurde die Bergung von der Wasserwacht und der Feuerwehr organisiert. Oberhalb des Fundorts wurde ein Rettungsboot positioniert. Mit Seilen bugsierten die Helfer das Boot zu der Leiche – und die Tote ans Ufer.
Die schwierige Suche nach der Identität: "Ich hätte Hanna nicht wiedererkannt"
Das Gericht stellte einem Foto der Studentin vom Besuch in der Nacht zuvor im "Eiskeller" eines von der Leiche gegenüber. Dazu die Beamtin: "Ich hätte Hanna nicht wiedererkannt." Die Polizei sperrte den Bergungsort damals im Umkreis von etwa 300 Metern ab. Die Zeugin unterstrich, man habe nichts verändert. Niemand außer den Einsatzkräften habe die Leiche sehen können.
Nachdem damals nichts sichergestellt werden konnte, was Aufschluss über die Identität der unbekannten Toten hätte geben können, klopfte die Kripo Rosenheim jeden nur möglichen Hinweis ab. Drei Ansätze hatte man nach Worten einer Kriminalbeamtin (51). Zwei Frauen waren glücklicherweise wohlauf. Eine in Tirol Vermisste war mit 14 Jahren zu jung.
Die Genspuren reichten nicht aus, um den Angeklagten zu belasten
Über einen Stempel des "Eiskellers" und den Schmuck der Unbekannten gelang es, weiterzukommen. Auf Internetfotos eines Partyfotografen von der Veranstaltung in der Diskothek waren zwei auffallende Halsketten zu erkennen. Um kurz nach 22 Uhr stand für die Polizei fest: Hanna W. war die Tote aus der Prien. Die 51-jährige Ermittlerin musste den Eltern die Todesnachricht überbringen.
Die Biologin Dr. Dagmar von Máriássy berichtete vor Gericht über insgesamt 15 DNA-Gutachten des Rechtsmedizinischen Instituts an der Uni München. Ihr zufolge gebe es keine "ausreichenden Genspuren", die den Angeklagten belasten. Entweder sei gar kein oder zu wenig Genmaterial vorhanden gewesen.
Der Angeklagte verstrickt sich vor Gericht in Widersprüche
Die vom Angeklagten vorgelegte Jogging-Bekleidung sei bereits gewaschen worden. Haare des Opfers seien an seiner Kleidung nicht entdeckt worden. Die Gutachterin konstatierte, für einen Kontakt zwischen dem 21-Jährigen und dem Opfer mangle es an konkreten Fakten. Der 21-Jährige war kurz nach dem Verbrechen bereits über einen Anruf seiner Mutter bei der Polizei als "nächtlicher Jogger" ins Visier geraten, konnte jedoch anfangs alle Verdachtsmomente entkräften.
Beim Überprüfen seines Bekanntenkreises stieß die Kripo auf eine enge Vertraute des Angeklagten. Ihr gegenüber hatte er angeblich bereits am Nachmittag des 3. Oktober 2022 den Tod von Hanna erwähnt. Vor Gericht verwickelte sich die 21-Jährige in Widersprüche zu ihren Angaben bei der Polizei. Die Kammer unterbrach die Vernehmung der sichtlich überforderten Zeugin.