Prinzessin Auguste von Bayern und Ulrike Rehwagen: Engagement für die Umwelt

München - Überall im jahrhundertealten Schloss Leutstetten stehen Vogelfiguren herum – manche geschenkt, andere gekauft, alle Andenken von Prinzessin Auguste von Bayern, denn sie ist promovierte Vogelforscherin. Die Liebe zur Naturwissenschaft hat sie dazu gebracht, den Förderkreis zu gründen für das bayerische Naturkundemuseum Biotopia, das 2023 am Nymphenburger Schloss eröffnen soll. Mit der AZ sprachen die Prinzessin und Ulrike Rehwagen, Leiterin des Biotopia-Aufbaustabs, über Seide von Spinnen, den Fußballer Neymar und wer für ein Museum spendet.
AZ: Frau Doktor von Bayern, wie hat sich das angefühlt in den vergangenen Jahren: Menschen um viel Geld zu bitten?
AUGUSTE VON BAYERN: Blöd. Natürlich blöd. Es ist nicht sehr angenehm, wenn man sozusagen um Geld betteln muss. Zum Glück konnte ich mit den Menschen auf Augenhöhe bleiben, weil das Projekt so toll ist und ich leicht erklären konnte, was es für ein Potenzial hat.
Wo sehen Sie das Potenzial?
AUGUSTE VON BAYERN: Darin, eine Schnittstelle zu sein. Einen positiven Einfluss in viele verschiedene Richtungen zu haben. Menschen zum Handeln zu bewegen, die großen Umweltherausforderungen anzugehen. Wir leben gerade in einer spannenden Zeit: Wir haben einen Punkt erreicht, an dem wir das Potenzial haben, uns als Menschen selber auszulöschen – oh, das sollte man vielleicht so nicht schreiben, das ist schon eine ziemliche Schwarzmalerei. . . Und Biotopia wird kein Schwarzmalerei-Museum.
Dinge, die stimmen, muss man aber auch einfach mal deutlich sagen. Und es kommt ja noch ein Oder, oder?
AUGUSTE VON BAYERN: Ja: uns selber auszulöschen – oder uns zu retten. Einerseits haben wir die größten Umweltherausforderungen, die wir als Menschheit je hatten. Es findet das größte Artensterben statt, das es wahrscheinlich je gab. Und andererseits sind wir im Zeitalter der Biologie, wo gerade die unglaublichsten Dinge möglich werden, wo die größten, revolutionärsten Entdeckungen in den Life Sciences stattfinden, aufbauend auf unseren technischen, digitalen Möglichkeiten. Und das sind genau die Fächer, die uns auch retten können, mit denen man Lösungen finden kann.
Das versuchen ja viele: Interesse wecken für Probleme wie Plastik verschmutzt unsere Meere. Aber größere Aufreger sind oft die kleineren Themen: Ein Mensch wurde aus der Kirche geworfen, weil er seinen Dackel dabei hatte.
ULRIKE REHWAGEN: Biotopia versucht genau, diese Vermittlungsrolle einzunehmen, wie das viele Museen im angelsächsischen Raum schon tun. Den Menschen eben nicht pädagogisch etwas vorzukauen, sondern ihnen für alle Sinne etwas anzubieten, sodass sie Zusammenhänge verstehen und dann von sich aus aktiv werden wollen.
AUGUSTE VON BAYERN: Das sind die wichtigsten Punkte: Neugier wecken in den Menschen, sie mitfühlen lassen, indem man ihnen Perspektivwechsel anbietet, und sie damit dazu bringen, dass sie die Initiative ergreifen. Das ist die größte Herausforderung hinter Biotopia, denke ich. Aber auch das, was es wirklich besonders macht.
Eine Bedingung des Freistaats für die Finanzierung von Biotopia war, dass ein Prozent der Kosten von privater Seite aufgebracht wird. Viele sagen: Ohne Sie, Frau von Bayern, wäre es nichts geworden.
AUGUSTE VON BAYERN: Das war ja nie ich alleine, das ist mir auch immer unangenehm, wenn das gesagt wird. Das war von Anfang an ein begeisterter Kreis von Leuten. Und die Finanzierung ist eine etwas komische Situation, denn eigentlich ist das Museum ein staatliches Projekt. Aber es ist in Bayern schon immer so gewesen, dass der Staat bei Projekten wie auch dem Deutschen Museum erstmal sehen will, dass die bayerischen Bürger es wirklich haben wollen, dass sie voll dahinterstehen. Darum wird immer ein gewisser Teil der Gelder durch Bürgerengagement gefordert.
Wobei Sie ja eher nicht den bayerischen Bürger angesprochen haben, sondern Menschen mit sehr viel Geld.
AUGUSTE VON BAYERN: Wir haben beides gemacht. Wir hätten es nicht schnell genug geschafft, nur mit Kleinspenden die Summe zusammenzubekommen, um den Architektenwettbewerb zu finanzieren. Aber jeder Euro hat geholfen, egal, von wem er kam. Natürlich haben wir ein paar Leute gezielt angesprochen, die größere Summen geben konnten. Aber in der ersten Fundraising-Phase waren überhaupt keine Unternehmen dabei, sondern eher Stiftungen und Mäzene, die sich einfach begeistert haben. Die sofort die Idee und deren Dimension begriffen haben. Die Jahrhundertchance.
Die Idee, dass man ein Museum braucht für Biowissenschaften, war ja nicht neu.
AUGUSTE VON BAYERN: Nein. Das Museum Mensch und Natur, das ist den meisten gar nicht klar, ist nur als Provisorium gegründet worden, als Zwischenstelle, bis man einen Ort mit mehr Platz findet. Als die Gebäude in der Maria-Ward-Straße neben dem Mensch und Natur frei geworden sind, war das eine Chance, an einem unglaublichen Standort ein Projekt ins Rollen zu bringen. Eins, für das sich bisher jeder begeistert hat.
Wie haben Sie das gemacht: Eine Liste von allen Menschen geschrieben, die Geld haben und sich für Forschung interessieren – und dann hingegangen mit einem Riesentausendfüßler in der Hand und den Plänen unterm Arm?
AUGUSTE VON BAYERN: Einen Tausendfüßler hatte ich nie dabei. Neulich habe ich aber zu einer Veranstaltung Seidenkokons mitgebracht, damit die Leute sich vorstellen können, dass die in Zukunft aus künstlicher Spinnenseide sind. Das ist nämlich das härteste Kunstmaterial, das es gibt. Ein Team von TU München hat da ein Verfahren entwickelt, mit dem es Spinnenseide nachbaut, und auch das Fadenwebverfahren imitiert. Ansonsten waren das einfach direkte Gespräche.
Wie haben Sie die Geldgeber dann überzeugt?
AUGUSTE VON BAYERN: Die haben einfach Feuer gefangen für die Idee. Es sind ja auch sehr breite Themen: Bildung, Umwelterziehung, Kinder und deren Bezug zur Natur, zu wenige Nachwuchswissenschaftler, zu wenige Fachkräfte. Claus Hipp zum Beispiel ist ein naturverbundener Mensch. Der sieht die Probleme dahinter, dass Kinder heute ohne Bezug zur Natur aufwachsen. Jedem, der in der Natur aufgewachsen ist, tut das weh: Zu sehen, wie Kinder nicht mal ein Eichenblatt von einem Buchenblatt unterscheiden können. Ich spüre jetzt noch, wie ich als Kind die verschiedenen Gräser in der Hand hatte. Die BayWa-Stiftung war eine der Unterstützer der ersten Minute. Die finanzieren komplett das Biotopia-Lab, ohne sich inhaltlich einzumischen. Das Labor wird quasi eine Zwischenstelle, wenn das Mensch und Natur geschlossen und Biotopia noch nicht eröffnet ist.
Biotopia wird mindestens 95 Millionen Euro kosten. Für 95 Millionen hat der FC Barcelona vor vier Jahren den Superstar Neymar gekauft.
AUGUSTE VON BAYERN: Oh! Das muss ich mir aufschreiben für zukünftige Gespräche! Wie heißt der?
Neymar. N-E-Y-M-A-R. Ein Brasilianer. Spielt in Paris.
AUGUSTE VON BAYERN: Neymar, okay. 95 Millionen, das ist ja sensationell! Und furchtbar! Was man damit alles Gutes machen könnte...
Was meinen Sie, wer musste sich mehr für die Summe rechtfertigen: das Museum oder der Fußballverein?
AUGUSTE VON BAYERN: Das ist die falsche Frage für mich. Ich kenne mich mit Fußball überhaupt nicht aus, es interessiert mich nicht – dafür habe ich einfach gar keine Zeit. Fußball, das ist Brot und Spiele. Aus meiner Perspektive ist natürlich komplett klar, dass Fußball, dass Entertainment nicht wichtiger ist als Bildung. Aber da gibt es unterschiedliche Meinungen. Und das Tolle an Biotopia ist, dass es beides bietet: Unterhaltung und Bildung.
Es kommen etwa 200 000 Besucher pro Jahr ins Museum Mensch und Natur – zum FC Bayern 75 000 bei jedem Heimspiel. Hat da die Masse recht oder weiß sie nur nicht, dass ein Museumsbesuch das ist, was sie bräuchte?
AUGUSTE VON BAYERN: Das eine schließt ja das andere nicht aus. Wir könnten zum Beispiel eine Sonderausstellung machen zu Fußball aus biologischer Sicht. Wie die Hintergründe funktionieren: die Muskeln, die Bewegungsabläufe, die Psyche. Der Verhaltensforscher Professor Irenäus Eibl-Eibesfeldt hat mir für eine Doktorarbeit mal als Thema vorgeschlagen: die Schauer der Ergriffenheit, die Fußballfans haben, aus biologischer Sicht. Und bei Spielern wäre es interessant, was die biologischen Unterschiede zwischen Heimspiel und Auswärtsspiel sind.
ULRIKE REHWAGEN: Vielleicht machen wir dazu tatsächlich eine Ausstellung.
AUGUSTE VON BAYERN: Den FC Bayern könnte man da sicher auch für begeistern. Wenn Michael John (Gorman, Gründungsdirektor von Biotopia; d. Red.) anfragt, braucht es sicher nicht mehr viel Überzeugung. UR: Matts Hummels zum Beispiel interessiert sich ja auch sehr für Bildungsprojekte.
ULRIKE REHWAGEN: Matts Hummels zum Beispiel interessiert sich ja auch sehr für Bildungsprojekte.
Wie viel Eintritt wird Biotopia kosten?
ULRIKE REHAGEN: Das Erdgeschoss ist frei zugänglich. Da wird man schon sehr viel sehen können, die vier offenen Labors sind zum Beispiel dort. Und wenn man noch eine Sonderausstellung in den anderen Stockwerken sehen will, kostet das wahrscheinlich um die zwölf Euro.
AUGUSTE VON BAYERN: Das Erdgeschoss ist schon ein großer Teil von Biotopia, sozusagen das Herzstück. Da haben wir zum Beispiel einen ganzen Bereich, in dem es um die Fragen geht: Was bin ich als Mensch aus biologischer Sicht? Wer bin ich? Was ist das Leben? Da wechselt das Angebot viel und oft.
ULRIKE REHWAGEN: Das Museum soll ein Ort der Begegnung werden, zu dem man einfach geht, an dem man Menschen trifft, Diskussionen führt, sich austauscht. Wenn man ein Ticket braucht, ist das immer gleich so eine Hemmschwelle. Man hat das Gefühl, man muss vier Stunden bleiben, damit der Eintritt sich lohnt. So wollen wir die Menschen dazu bringen, einfach zu kommen, Inspiration zu kriegen, Ideen zu haben. Es soll immer wieder spannend sein.
Die BayWa-Stiftung finanziert das BiotopiaLab, Sie arbeiten mit Unternehmen zum Beispiel fürs Thema Technologien der Zukunft. Wie stellen Sie da Unabhängigkeit sicher?
AUGUSTE VON BAYERN: Das stellt man einfach von Anfang an klar. Wissenschaft funktioniert ja genau so. Es müssen eine wissenschaftliche Freiheit und eine objektive Darstellung gegeben sein.
ULRIKE REHWAGEN: Die Labore werden nur von uns konzipiert. Auftragsforschung hat natürlich auch ihre Berechtigung, weil sie einen direkten Nutzen hat für die Gesellschaft. Und wenn ein Wissenschaftler von einem Unternehmen zu uns ins Labor kommt, ist der natürlich willkommen. Aber es geht uns ja darum, darzustellen, was Forschung bedeutet. Wir sind im Grunde eine Bühne für die Forschung und arbeiten dafür eng mit der Max-Planck-Gesellschaft zusammen. Dass das gesteuert wird von Firmen: Das passiert sicher nicht.
Auf den ersten Entwürfen der Architekten stand ein Diplodocus-Skelett im Innenhof.
AUGUSTE VON BAYERN: Oh, der ist da drauf, weil wir bei der Ausschreibung für den Architekten-Wettbewerb vermerkt haben, dass große Exponate wie Dinosaurier ins Museum reinpassen müssen.
Wie viel kostet so ein Dino?
AUGUSTE VON BAYERN: Die können schon ganz schön teuer sein. Ich glaube, für ein T-Rex-Skelett zahlt man mindestens eine Million. Es gäbe in Amerika gerade eins zu verkaufen, das wurde uns angeboten. Aber von Dinosauriern sind wir inzwischen abgekommen, die gibt es genug an anderen Orten. Das ist nicht das Allerspannendste für uns. Das ist eher die Zukunft.