Polizistenmord: „Skrupellos und absolut scheußlich“
Augsburg - Es dauert nur eine knappe halbe Stunde nach den Schüssen, bis die Augsburger Polizei Donnerstag in der Früh alles aufbietet, was sie hat: Spürhunde, Sondereinsatzkräfte, Scharfschützen und Hubschrauber mit Wärmebildkameras durchkämmen jeden Zentimeter rund um den Tatort. Fahndungsaufrufe erreichen Polizeiinspektionen in ganz Bayern. Sie wollen sie kriegen. Sie müssen – Mathias V. war einer von ihnen. Innenminister Joachim Hermann spricht von „skrupellosem Mord“ – von einem scheußlichen Verbrechen gegen einen Polizisten, der nur seine Pflicht tat.
Donnerstag, etwa 2.50 Uhr morgens: Polizeihauptmeister Mathias V. (41) und seine Kollegin sind auf Streife im Stadtteil Hochzoll-Süd. In einem Wohngebiet bemerken sie zwei Männer mit einem Motorrad – sie fahren heran. Nur mal kontrollieren.
Die Biker aber rasen plötzlich davon – Richtung Süden, über die Spickelstraße, die direkt in den Siebentischwald führt. Hier gehen die Augsburger tagsüber joggen, baden oder spazieren. Das Erholungsgebiet wird zum Schauplatz einer Szene wie aus einem Action-Film. „Das war ein Tatablauf, den sich auch hartgesottene Ermittler nicht ohne weiteres vorstellen können“, sagt Oberstaatsanwalt Günther Zechmann später. „Wie James Bond über die Lech-Brücke in Augsburg.“
Nach einer kurzen Jagd durch den Wald stürzen die Biker von ihrer Honda. Der Streifenwagen hält. Im Lichtkegel seiner Scheinwerfer kauern zwei dunkel gekleidete Gestalten. „Halt! Polizei! Stehenbleiben!“, brüllen die Polizisten. Die Männer antworten mit Schüssen. Zehn Meter vor den Beamten blitzt das Mündungsfeuer einer großkalibrigen Waffe auf. Mathias V. (41) wird von mehreren Kugeln getroffen. Er trägt zwar eine schusssichere Weste, doch ein Geschoss durchbohrt seinen Hals. Er sackt zu Boden.
"Tatablauf wie in einem James-Bond-Film"
Seine Kollegin hat Glück. Eine Kugel streift nur ihre hintere Hüfte. Sie feuert mehrere Schüsse ab – trifft aber nur die Nacht. Die Täter flüchten zu Fuß in den Siebentischwald. Sie lassen ihr verbeultes Motorrad zurück. Die 30-jährige Polizistin verfolgt sie nicht – sie eilt zu ihrem Partner. Überall Blut. Sie ruft den Notarzt. Der kommt zu spät. Es ist Donnerstag, gegen 3 Uhr morgens. Mathias V. ist tot. Im Dienst erschossen.
Der Rest des Tages ist Ausnahmezustand: Ab 3.30 Uhr riegeln mehr als 200 Polizisten die Zugänge zum Wald, die Kanu-Olympiastrecke und den Hochablass, die Staustufe überm Lech, ab. Spürhunde, sogenannte Mantrailer, suchen nach Spuren. Einsatzkräfte aus ganz Bayern unterstützen die Kollegen, unter ihnen Scharfschützen und ein Sondereinsatzkommando aus München.
Bei der Suche wollen die Ermittler auch gleich einen Hubschrauber in den Nachthimmel schicken – wegen des dichten Nebels kann der aber nicht starten. Erst später kreisen zwei Hubschrauber über dem Gebiet, suchen mit Wärmebildkameras nach den Tätern. Umsonst: Beide Täter sind immer noch auf der Flucht. Laut Polizei hat zum Tatzeitpunkt kein Anlieger etwas gehört. Als Mathias V. starb, schliefen alle friedlich.
„Die vorausgegangene Nacht gehört mit zu den schrecklichsten Erlebnissen und wird mir immer in Erinnerung bleiben“, sagt Augsburgs Polizeipräsident Gerhard Schlögl. Der Staatsanwalt ermittelt wegen Mordes.
WAS IST MIT DER FAMILIE?
Die Frau des Polizisten wird 90 Minuten nach der Tat von der Polizei benachrichtigt. Mathias V. hinterlässt auch zwei Söhne (13, 17). Sie alle werden derzeit in ihrem Zuhause in Königsbrunn südlich von Augsburg betreut.
WAS WEISS MAN ÜBER DIE MÖRDER?
Die Polizei geht davon aus, dass sie aus der „schwerkriminellen Szene“ stammen. Ihre Tat bezeichnete Oberstaatsanwalt Zechmann als heimtückischen Mord – Mathias V. und seine Kollegin konnten nämlich nicht ahnen, dass sie feuern würden.
Zechmann sprach auch von einem „Verdeckungsmord“. Er vermutet, dass die Täter mit den Schüssen ein Verbrechen verdecken wollten. Möglicherweise waren sie in ein größeres Drogengeschäft verwickelt – eine Verbindung zur Rocker-Bande „Hells Angels“ schloss Zechmann aber erstmal aus.
Er war sich dafür sicher, dass die Täter Ortskenntnisse haben: „Das sind Leute, die sich hier auskennen. Das muss man im Siebentischwald.“
HILFT DAS MOTORRAD, DEN FALL ZU KLÄREN?
Die anthrazitfarbene Honda CB 500 trägt das Kennzeichen A-L 307 – doch das ist gefälscht! Der echte Halter wurde überprüft, er hat nichts mit der Tat zu tun. Das Kennzeichen wurde im April abgemeldet.
Die Polizei hat wohl auch „Gegenstände“ mit DNA-Spuren gefunden – sie gingen vielleicht beim Unfall verloren und könnten schließlich helfen, die Täter zu schnappen.
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