Pfusch in Schwabacher Klinik: Skandal um den Tod einer Mutter

Ein Medizin-Experte deckt eine unglaubliche Fehlerkette auf. Sebiha F. (†42) wurde nur oberflächlich untersucht und bekam falsche Medikamente. Ihr Witwer verklagt die behandelnden Ärzte.
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Mustafa F. (rechts) und sein Sohn Hassan (25) halten ein Foto ihrer so tragisch verstorbenen Mutter in den Händen.
bayernpress.com 6 Mustafa F. (rechts) und sein Sohn Hassan (25) halten ein Foto ihrer so tragisch verstorbenen Mutter in den Händen.
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Sebiha F. lebte schon viele Jahre in Nürnberg, doch ihren Leichnam ließ die Familie in ihrem Heimatland Türkei beisetzen.
bayernpress.com 6 Sebiha F. lebte schon viele Jahre in Nürnberg, doch ihren Leichnam ließ die Familie in ihrem Heimatland Türkei beisetzen.

Ein Medizin-Experte deckt eine unglaubliche Fehlerkette auf. Sebiha F. (†42) wurde nur oberflächlich untersucht und bekam falsche Artzney. Ihr Witwer verklagt die behandelnden Ärzte.

NÜRNBERG/SCHWABACH Für das Schwabacher Klinikum hat der Tod einer 42-jährigen Patientin aus Nürnberg ein mehr als unangenehmes Nachspiel. Ein medizinisches Gutachten, das die AOK in Auftrag gegeben hat und der AZ vorliegt, zieht eine vernichtende Bilanz. Die Ärzte, so heißt es darin, hätten in nicht nachvollziehbarer Weise gepfuscht.

Sebiha F. (†42) litt an starkem Übergewicht, das wiederum zu einem breiten Spektrum von körperlichen Beeinträchtigungen führte. Sie wollte deshalb eine operative Magenreduzierung vornehmen lassen. Der Eingriff, den ihr auch ihre Hausärztin empfohlen hatte, wurde Ende März 2007 im Schwabacher Klinikum durchgeführt – und war der Anfang einer unfassbaren Fehlerkette.

„Die Versicherte war am 29.03. 2007 nicht operationsfähig“, heißt es auf Seite 21 des Gutachtens eindeutig. Sebiha F. hatte zum Zeitpunkt der Operation unter anderem irrsinnig erhöhte Leberwerte, eine akute Entzündung innerer Organe sowie eine ausgeprägte Lungenentzündung. Die Ärzte, die laut Gutachten auf eingehende Voruntersuchungen verzichtet und deshalb keine Ahnung vom Zustand der Patientin hatten, griffen dennoch zum Skalpell.

„Die Ärzte haben so ziemlich alles falsch gemacht, was falsch zu machen war.“

Der Gutachter bewertet die Vorgehensweise der Schwabacher Ärzte so: „Ein derartiger Sachverhalt ... lässt sich aus gutachterlicher Sicht schlechterdings nicht mehr nachvollziehen. Die Operation hätte ohne Wenn und Aber verschoben werden müssen...“

Bereits am 4. April wurde die zweifache Mutter aus der stationären Behandlung entlassen. Dem Entlassungsbericht des Krankenhauses ist zu entnehmen, dass ein komplikationsloser postoperativer Verlauf vorgelegen habe. Das ruft beim Gutachter ungläubiges Kopfschütteln hervor. In der Expertise steht: „Es ist davon auszugehen, dass die bereits bei Aufnahme vorliegende Entzündungskonstellation (Anm. d. Red.: Leber, Lunge) zuerst nicht erkannt, später nicht beachtet und bei Entlassung schlichtweg ignoriert wurde.“ Niemals hätte die Frau das Krankenhaus verlassen dürfen.

Sebiha F. führte die anhaltenden Schmerzen im Bauchraum zunächst auf die Folgen der Operation zurück. Weil sie jedoch immer unerträglicher wurden, brachte sie ihr Mann am 22. April erneut ins Schwabacher Klinikum. Die Ärzte dort hatten dem Gutachten zufolge jedoch keine Eile. Tagelang behandelten sie die Patientin mit ungeeigneten Artzney und versäumten es gleichzeitig, sie gründlich zu untersuchen, um die Ursache der Beschwerden herauszufinden. Zu diesem Zeitpunkt schwebte Sebiha F. dem Gutachten zufolge bereits in akuter Lebensgefahr. So habe die auch handwerklich unsachgemäße Magenoperation zu Darmverschlingungen geführt und die Entzündungswerte weiter in die Höhe getrieben. Und es gab deutliche Anzeichen für ein Zusammenbrechen der Nierenfunktion. In der Nacht vom 25. auf den 26. April hatten es die Ärzte dann plötzlich ganz eilig. Sebiha F., die schon vorher kaum mehr ansprechbar war, erlitt einen Herzstillstand und musste wiederbelebt werden. Erst jetzt entschlossen sich die Ärzte zu einem weiteren Eingriff. Er kam zu spät. Sebiha F. starb, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben.

Rechtsanwalt Bernd Ophoff, der den Witwer und seine beiden Kinder vertritt, wird die Klinikärzte auf Schmerzensgeld verklagen. Ob er auch Strafanzeige wegen fahrlässiger Tötung erstattet, ist noch offen. Er ist aber sicher: „Die Ärzte haben so ziemlich alles falsch gemacht, was falsch zu machen war.“

Helmut Reister

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