Petra und Ewald: Darum leben wir unter der Brücke

Die Herbstsammlung der Diakonie beginnt: Das Motto heißt „Und plötzlich stand ich auf der Straße“.
von  Abendzeitung
Packten in der Wärmestube mit an: Regionalbischof Stefan Ark Nitsche und Diakonie-Chef Ludwig Markert (rechts).
Packten in der Wärmestube mit an: Regionalbischof Stefan Ark Nitsche und Diakonie-Chef Ludwig Markert (rechts). © News5

Die Herbstsammlung der Diakonie beginnt: Das Motto heißt „Und plötzlich stand ich auf der Straße“.

NÜRNBERG Seit Samstag ziehen Mitarbeiter der Diakonie durch die Straßen und sammeln. Diesmal geht es um Menschen, die auf diesen Straßen leben. Um Menschen wie Ewald (54) und Petra (48). „Und plötzlich stand ich auf der Straße“ ist das Motto der Sammlung. Das Paar, das unter der Franz-Josef-Strauß-Brücke an der Wöhrder Wiese wohnt, kennt diesen Moment, der das eigene Leben völlig aus der Bahn warf...

Ewald trägt die grauen Haare zum Zopf, das Nikotin hat seine Finger gelb gefärbt. „Bei mir waren es die Trennung von meiner Frau und Schulden – und natürlich der Schnaps.“ Ewald beschönigt nichts. Seit mehreren Jahren braucht er eine Flasche Hochprozentiges am Tag. Er hat sich mit Petra zusammengetan. Sie lebt seit ihrem 14. Lebensjahr auf der Straße.

Städtische Einrichtungen meiden sie. „Keine Privatsphäre, fremde Menschen im Schlafraum, und sicher fühlen wir uns dort auch nicht“, erzählen sie. Für obdachlose Frauen ist die Situation noch schlimmer. Deshalb haben sie sich unter der Brücke eingerichtet: Aus Styropor, zwei Isomatten, Decken und drei Schlafsäcken bauten sie ein Bett, das tagsüber als Sofa dient. Gleich daneben die „Küche“ mit Kocher, Pfannen, Töpfen. Es ist für die Verhältnisse ordentlich. Hausschuhe stehen neben dem Sofa, die Kippen werden im Aschenbecher gesammelt und nicht einfach weggeschmissen. An ihrer Schlafseite liegt ein Buch. Es ist eine Fantasy-Geschichte.

Sie sind kein Paar, aber sie lassen sich nicht alleine. „Wenn Petra einen epileptischen Anfall bekommt“ – sie wirft ein, das komme manchmal vor, wenn sie auf Alkohol-Entzug ist – „dann bettel’ ich eben für sie mit“, sagt Ewald.

Die Kraft, noch einmal von vorne anzufangen, bringen beide derzeit nicht auf. Sie haben sich unter der Brücke eingerichtet, toleriert von Stadt und Polizei.

Diakonie-Chef und Bischof tun dienst in der Wärmestube

Durch Einrichtungen wie die Wärmestube in der Köhnstraße bekommen sie etwas Warmes in den Magen.

Menschen wie sie wird es in Zukunft immer mehr geben, schätzen Ludwig Markert, Präsident des Diakonischen Werkes Bayern, und Regionalbischof Stefan Ark Nitsche. Sie haben am Samstag selbst in der Wärmestube mitgeholfen, Essen ausgetragen und in der Kleiderkammer angepackt.

Markert: „Wir befinden uns auf historischem Tiefstand, was bezahlbaren Wohnungsbau angeht.“ Nitsche war berührt von den Lebensgeschichten, die er in der Wärmestube hörte. „Es genügen wenige Faktoren, und es geht bergab.“

Doch nicht nur die, die ganz unten auf der Straße angekommen sind, holen sich in der Wärmestube ihr Essen. Es sind auch Menschen wie die gepflegte End-Fünfzigerin, die mit ihrer schmalen Rente einfach nicht anders auskommt.

Auf die Frage, was Ewald und Petra am dringendsten benötigen, kommt schnell die Antwort: „Geld.“ Nach kurzem Nachdenken: „Bei mir wären es warme Socken“, sagt Ewald. Und Petra: „Ein bisschen Kosmetik wäre toll, beispielsweise Reinigungs-Pads oder feuchte Tücher. Vielleicht eine Wimperntusche?“, dieser Wunsch ist Petra fast peinlich. „Und ein neues Buch. Ich lese doch so gerne, aber meins ist schon fast zu Ende.“ Susanne Will

Wenn Sie Menschen wie Ewald und Petra helfen wollen, spenden Sie bei der Diakonie. Kontonummer: 5222222, Bankleitzahl: 520 604 10 (Evangelische Kreditgenossenschaft eG).

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