Patientin nach Spritze im Koma - Freispruch für den Arzt
Was in seiner Nürnberger Praxis wirklich geschah, konnte das Gericht nicht mit Sicherheit klären. Deshalb hieß es: Im Zweifel für den Angeklagten
NÜRNBERG Sie wird nie wieder aufwachen: Nach einer Schmerztherapie liegt Elisabeth Mai (47) für immer im Koma. Das Nürnberger Amtsgericht musste entscheiden, ob der behandelnde Arzt Schuld an ihrem Zustand ist. Am Freitag wurde er vom Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung freigesprochen. Obwohl das Gericht nicht mit letzter Sicherheit klären konnte, was an jenem Tag, an dem Elisabeth Mai aus dem Leben gerissen wurde, tatsächlich in der Praxis des Orthopäden geschah. Am Ende hieß es: Im Zweifel für den Angeklagten.
Versteinerte Gesichter, Tränen in den Augen – nicht mal der Angeklagte und seine Angehörigen hatten gestern Grund zur Freude. „Der Vorfall wird mich für immer verfolgen“, beteuerte der sichtlich gezeichnete 52-jährige Arzt.
Traten völlig unerwartete Komplikationen auf?
Seine Patientin Elisabeth Mai war nicht schwer krank. Sie litt lediglich an Schmerzen im Rücken. Zur Therapie war sie im März 2009 bei dem Orthopäden in Behandlung. Nachdem er ihr eine Spritze in den empfindlichen Halswirbel gesetzt hatte, kollabierte die Patientin. Alle Wiederbelebungsversuche scheiterten. Erst der Notarzt schaffte es, die bereits schon blau angelaufene Frau wieder mit Sauerstoff zu versorgen. Doch da war es bereits zu spät. Elisabeth Mais Gehirn war bereits schwer geschädigt.
Amtsrichterin Heidi Dünisch kam zu dem Ergebnis, dass bei der Behandlung völlig unerwartete Komplikationen aufgetreten sein müssen, bei denen selbst der Spezialist in diesem Moment, trotz „funktionierendem Notfall-Management“, nichts ausrichten konnte. Dies sei die einzig logische Erklärung für den tragischen Vorfall. Restzweifel aber blieben. Dünisch: „Das Gegenteil kann man mit guten Gewissen nicht beweisen.“ Die einzigen Zeugen des Vorfalls sind der Arzt und sein Team.
Für Elisabeth Mais Familie war das Urteil ein Schock. „Das muss sich erst setzen“, erklärte ihr Anwalt Robert Raab. Dann entscheiden sie, ob sie in Berufung gehen. mp
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