Andrang wegen Corona: Verdruss an Bayerns Flüssen
An diesen sonnigen Tagen wünscht sich Thomas Leipold oft Regen. Denn wenn er vor seine Haustür geht, strömt ihm ansonsten eine Flut von Menschen entgegen. Der Winzer aus Volkach (Landkreis Kitzingen) wohnt unweit der Mainschleife, bekannt als Landschaftsschutzgebiet und Geotop. In vergangener Zeit, gerade während der Corona-Krise, auch bekannt als einer der Hotspots für Badegäste in Unterfranken. Auf und um den Altmain sei derzeit ein „Gegröle“, sagt Leipold. Viele junge Leute würden Alkohol mit auf den Fluss nehmen.
Leere Flaschen und Müll in bayerischen Gewässern
Die leeren Flaschen versinken im Wasser oder liegen zerbrochen am Wegesrand, neben kaputten Luftmatratzen und anderem Müll. Auf dem Wasser tummeln sich Stand-Up-Paddler, kleine Privatboote und Badegäste, die wegen der Hitze eine Abkühlung suchen. So komme es regelmäßig zu Konflikten mit Kreuzfahrt- und Containerschiffen, die nur schwer ausweichen können, sagt Reiner Pflaum von der Wasserschutzpolizei.
Nur mit einem Notmanöver konnte beispielsweise ein über 100 Meter langes Frachtschiff den Zusammenstoß mit einem gemieteten Hausboot auf dem Main im Bereich Würzburg verhindern. Am Steuer war laut Polizei eine alkoholisierte 18-Jährige, auch die anderen elf Passagiere hatten getrunken. Ein Szenario, das sich gerade an vielen bayerischen Seen und Flüssen beobachten lässt.

„Wir hatten am Schwarzen Regen, das ist ein Fluss im Bayerischen Wald, so viel Bootsverkehr – da hat man zum Teil den Eindruck, man ist am Ballermann in Mallorca“, sagt Norbert Schäffer vom Landesbund für Vogelschutz (LBV).
Manche Menschen würden keine Rücksicht auf Schutzgebiete nehmen. „Die Leute halten beispielsweise an Alpenflüssen an Inseln, wo auf einem Schild ‚Kiesbrüter - Bitte diese Insel nicht betreten‘ steht. Sie campieren dort und hängen ihre Handtücher über das Schild.“ An bestimmten Abschnitten am Schwarzen Regen dürfen kommerzielle Anbieter nach einem Gerichtsurteil schon keine Kanus mehr vermieten. „Das ist eine drastische Maßnahme während der Urlaubszeit, das ging aber nicht anders“, sagt Schäffer.
In der Corona-Krise zieht es viel zu viele Badegäste und Wassersportler an die bayerischen Seen und Flüsse – das hatte die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) bereits befürchtet. „Vom Allgäu bis nach Oberfranken sind es etwa ein Viertel mehr Besucher als sonst“, berichtet ein DLRG-Sprecher.
50 Prozent mehr Besucher in den Ballungsräumen
Rund um München und Nürnberg seien es sogar 50 Prozent mehr. „Da wird es schon sehr eng.“ Gerade Freundescliquen hielten oft nicht die Abstandsregeln ein.
Die DLRG ist nach eigenen Angaben im Dauereinsatz, im Vergleich zum Vorjahr müssen die Rettungskräfte heuer bis zu 50 Prozent öfter ausrücken. Doch manchmal kommt jede Hilfe zu spät: Ende Juli ertranken in Bayern im Schnitt jeden Tag zwei Menschen, warnte der Sprecher des DLRG-Landesverbands. „Quer durch alle Alters- und Bevölkerungsschichten – in den Jahren davor waren es vor allem Senioren oder leichtsinnige Männer.“
Gerade Schwimmer und Stand-Up-Paddler unterschätzen die Sogwirkung der Schiffsschraube und kämen gefährlich nahe, meint Michael Grießer, Geschäftsführer der Bayerischen Seenschifffahrt. „Unsere Kapitäne müssen sich regelrecht einen Weg durch die Wassersportler bahnen.“ Seit Ende Mai überqueren die Ausflugsschiffe wieder den Starnberger See, den Ammersee, Königs- und Tegernsee (AZ berichtete) – wegen Corona allerdings nur mit zwei Dritteln der üblichen Anzahl an Fahrgästen.
Starnberg: Im Fünfseenland geht es "hoch her"
Umso mehr drängen sich die Menschen an den Badestellen im Fünfseenland, berichtet eine Sprecherin des Landratsamts Starnberg. „Natürlich geht es bei uns ganz schön hoch her. Es sind wirklich alle Seen mehr als gut besucht.“ Manche Bäder malen inzwischen Kreise auf die Wiese, damit die Besucher sich an die Abstände halten. Auch die Polizei kontrolliere die Uferbereiche.
In Volkach hat sich sogar eine Task-Force gebildet: Verstöße werden sanktioniert, mehr Mülleimer und mobile Toiletten eingerichtet. Um die Situation auf dem Wasser zu entzerren, verlagern Kanu-Verleiher Zustiegsorte. Ein Sicherheitsdienst wird an stark frequentierten Stellen eingesetzt. An Wildparker wurden vergangenen Samstag rund 70 Strafzettel verteilt.
Die Anwohner fordern drastischere Strafen für rücksichtslose Besucher. Um Touristenströme zu verhindern, wollen sie zudem erreichen, dass die Region nicht mehr als Urlaubsziel beworben wird. Denn seit langem seien die Grenzen der Belastbarkeit für Natur und Bürger erreicht. Rund 30 Aktivisten fanden sich gestern an der Mainschleife bei Volkach zusammen, um ihren Unmut kundzutun.
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