Offen für den Rest der Welt

Wie Wally und Paul Schmidt vom Nürnberger Theater Salz & Pfeffer in Indien ihr Stück vom „Zapperdockel“ mit dortigen Spielern einstudieren.
von  Abendzeitung
Die Puppen aus Neu-Delhi sind angereist: Wally Schmidt beim Materialtest.
Die Puppen aus Neu-Delhi sind angereist: Wally Schmidt beim Materialtest. © privat

Wie Wally und Paul Schmidt vom Nürnberger Theater Salz & Pfeffer in Indien ihr Stück vom „Zapperdockel“ mit dortigen Spielern einstudieren.

An die kleine, handliche Nebelmaschine müssen sie beim Packen denken, an die sündteuren Bühnen-Schuhe und an die Akteure aus dem Figuren-Lazarett: die kleinen gelben Zapperdockel und die großen groben Wocks. Denn im Theater in Bangalore, Boomtown des indischen Bundesstaates Karnataka mit geschätzten sieben bis zwölf Millionen Einwohnern, gibt’s keine Werkstätten, keinen Schraubstock und selbst Schweißarbeiten werden ambulant auf dem Fußboden sitzend erledigt. Dorthin, ins Theater Ranga Shankara, kehren Wally und Paul Schmidt vom Nürnberger Theater Salz & Pfeffer zurück, um „Der Zapperdockel und der Wock“ premierenreif zu proben. Das Stück soll im September beim Kindertheaterfestival gezeigt werden.

Für das Theater-Paar vom Ka-Li am Plärrer ist das Regie-Angebot, das die Schauspielerin Padmavathi Rao nach einem Besuch des hiesigen „Panoptikum“-Festivals einfädelte, ein „Auftanken“: „Wie schön es ist, wenn man nur Theater macht“, sagt Wally Schmidt. Und Ehemann Paul ergänzt: „Ein Stück Abenteuerlichkeit steckt schon drin.“

Gerade kommen sie von vierzehntägigen Vorarbeiten aus Bangalore zurück, wo sie feststellen mussten, dass Latexpuppen, denen hier eher ein Backofen eine gewisse Geschmeidigkeit verleiht, dort ein Besuch im Kuhlschrank nicht schadet. Zunächst dauerte es aber, bis die Puppen überhaupt einsetzbar waren. denn sie wurden im 2000 Kilometer entfernten Neu-Delhi gebaut. Das dauerte. Solange improvisierten die Schmidts und das Schauspieler-Duo mit Zeitungspapier und Sand.

Die Emotionen sind gleich, aber die Arme sind länger

Es ist auch ein Stück Entwicklungshilfe, das hinter dem Vorhaben steckt. Denn europäisches Kindertheater hat in Indien wohl so viel exotische Anziehungskraft wie bei uns Bollywood. Und Bangalore galt vor dem Aufstieg zur Mikrochip-Metropole als „Altersheim Indiens“. Arundhati Nag, die Chefin des Theaters, hat mit dem Ranga Shankara 2003 eine modernen Erweiterung zu indischen Traditionen geschaffen. „Sie integriert den Rest der Welt“, meint Wally Schmidt. Das Salz-und-Pfeffer-Stück „Der Zapperdockel und der Wock“ wird da als Alternative zum „Tralala-Kindertheater“ gesehen, sein Denkansatz (über Unterschiedlichkeit zur Freundschaft finden) wurde als Diskussionsbasis im Kasten-Denken gesehen.

„Nach den ersten Tagen haben wir festgestellt, dass die grundsätzlichen Emotionen gleich sind“, sagt Paul Schmidt. Dennoch wurden Szenen geändert, ein Kinderlied eingebaut, indische Polizeimützen ersetzen die Melonen und die Musik wurde auf Indisch getrimmt. Dann, stellten die Nürnberger fest, waren die Schauspieler „sehr viel freier“.

Für 400 Kinder ist jede Vorstellung geplant. Der Wunsch nach Verkleinerung des Zuschauerraums führte zum Vorschlag, dann doch einfach die Puppen größer zu bauen. Längere Arme kamen dabei raus. Vermutlich, meint Paul Schmidt, weil eine der drei wichtigsten Gottheiten – neben Gut und Böse – die Balance ist. Zuständig für Zwischenlösungen. Jetzt will das Regie-Duo „die Zuschauer näher ranziehen“ an die Bühne.

Am 8. August fliegen sie wieder nach Bangalore. Für vier Wochen. Vorher spielen sie selbst in Nürnberg im Ka-Li-Theater noch bis Ende Juli ihren „Zapperdockel“ auf Englisch. Und im Oktober, nach der Rückkehr vom Puppen-Auslandseinsatz, wollen die Schmidts zur Spielzeiteröffnung ihre Fassung „einmal“ mit indischer Musik unterlegen.

Andreas Radlmaier

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