Nur zwei Gerichte sind sicher
Die restlichen 97 Justizgebäude in Bayern nicht – Amtsgerichte gelten als ungefährlich.
MÜNCHEN - Nach den tödlichen Schüssen auf einen Staatsanwalt in Dachau fordert der Bayerische Richterverein schärfere Sicherheitsvorkehrungen in Gerichtssälen.
Es müsse nach dem Vorfall darüber nachgedacht werden, „ob wir der Sicherheit gerecht werden, die wir den Mitarbeitern und Besuchern der Gerichte schuldig sind”, sagte der Vorsitzende des Richtervereins, Walter Groß, am Mittwochabend. Groß sprach den Angehörigen des Opfers sein Mitgefühl aus.
Die Sicherheit in Gerichtssälen sei immer ein „Spagat”, sagte Groß weiter. Bei allem notwendigen Schutz dürften diese „keine Festungen werden”.
In Bayern sind nur zwei der 99 Gerichte gesichert: das Münchner Justizzentrum mit dem Landgericht in der Nymphenburger Straße und das Landgericht Augsburg. Bayerns Justizministerin Beate Merk sprach sich ebenfalls dagegen aus, Gerichtsgebäude zu Trutzburgen zu machen: „Wir können nicht 99 Gebäude komplett verriegeln. Es ist ja so, dass unsere Richter im Namen des Volkes Recht sprechen.” Deshalb gehöre es auch dazu, dass die Verfahren öffentlich zugänglich seien, so die Ministerin.
In der Regel sind Amtsgerichte nicht so stark gesichert wie Landes- und Oberlandesgerichte, da an ihnen keine so schweren Straftaten verhandelt werden.
Jedoch müsse nach den tödlichen Schüssen über eine Verschärfung der Sicherheit auch in Amtsgerichten nachgedacht werden, sagte Walter Groß vom Richterverein.
„Wir müssen immer bedenken, dass unser Beruf ein gewisses Risiko mit sich bringt”, sagte Groß, der zugleich Vizepräsident des Amtsgerichts Nürnberg ist. Dem Bayerischen Richterverein gehören Richter, Staatsanwälte und Beamte der höheren Justiz an.
Der Fall Marianne Bachmeier
1981 erschießt die Frau den Mörder ihrer Tochter (7) – und erhält sechs Jahre.
Selbstjustiz im Gerichtsaal – in Deutschland ist das untrennbar mit einem Namen verbunden: Marianne Bachmeier. Im März 1981 erschoss die damals 30-Jährige im Lübecker Gerichtssaal den mutmaßlichen Mörder ihrer kleinen Tochter Anna. Die siebenjährige Anna hatte im Mai 1980 die Schule geschwänzt und war dem 35-jährigen Fleischer und vorbestraften Sex-Täter Klaus Grabowski in die Hände gefallen. Er soll sie mit nach Hause genommen, stundenlang festgehalten und anschließend mit einer Strumpfhose erdrosselt haben.
Die Leiche packte er in einen Karton und legte ihn ans Ufer eines Kanals. Im Prozess bestritt Grabowski, das Mädchen missbraucht zu haben. Grund: Er hatte sich bereits 1976 wegen seiner Kinderschänder-Vergangenheit kastrieren lassen. Annas Mutter, die Lübecker Restaurantbetreiberin Marianne Bachmeier, wollte das nicht glauben. Am dritten Prozesstag schmuggelte sie eine Pistole in den Gerichtssaal.
Sie feuerte acht Mal auf Grabowski, sechs Schüsse trafen – der Angeklagte war sofort tot. Der Fall löste ein enormes Medienecho aus. Viele Menschen zeigten Verständnis für die Tat. Bachmeier verkaufte ihre Geschichte für 250000 Euro an den „Stern“. Im November 1982 wurde sie angeklagt – zunächst wegen Mordes. Verurteilt wurde sie aber wegen Totschlags und unerlaubten Waffenbesitzes – zu sechs Jahren Haft.
Marianne Bachmeier lebte zuletzt auf Sizilien. Im September 1996 starb sie an Bauchspeicheldrüsenkrebs. Der Fall wurde 1984 von Burkhard Driest verfilmt (mit Gudrun Landgrebe).
- Themen:
- Beamte
- Beate Merk
- Mörder