NürnbergMesse: So macht sie Geschäfte in Brasilien

Die Tochter-Gesellschaft startet in Sao Paulo. Die Konsumfreude der 200 Millionen Einwohner hat das Land bisher gut durch die Wirtschaftskrise kommen lassen
von  Abendzeitung

Die Tochter-Gesellschaft startet in Sao Paulo. Die Konsumfreude der 200 Millionen Einwohner hat das Land bisher gut durch die Wirtschaftskrise kommen lassen

NÜRNBERG/SAO PAULO So einen Messe-Auftakt ist Bernd A. Diederichs von daheim nicht gewöhnt: Als der Nürnberger Messe-Chef in Sao Paulo die Heimtier-Schau „Pet South America“ eröffnet, die erste Veranstaltung seiner brasilianischen Tochter-Firma, drängeln sich die Besucher-Massen in Schlussverkauf-Manier am Eingang. Es könnte kein besseres Zeichen dafür geben, dass die Nürnberger Messemacher mit ihrem neuesten internationalen Engagement auf einen florierenden Markt treffen. Ein Markt, auf dem bereits 2000 deutsche Firmen vertreten sind.

Samba und Karneval in Rio – in Sao Paulo wird das Geld verdient

Copacabana, Karneval und Samba – für derlei „typisch Brasilianisches“ ist Rio de Janeiro zuständig. Das Geld wird in der 20 Millionen-Metropole Sao Paulo verdient. 75 Prozent des brasilianischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 1586 Milliarden US-Dollar werden in einem Umkreis von 500 Kilometern um Sao Paulo erwirtschaftet. 900 deutsche Firmen haben hier ihren Sitz. Und machen Sao Paulo damit zur größten deutschen Industriestadt außerhalb Deutschlands.

Trotz der weltweiten Wirtschaftskrise sind die Deutschen in den letzten vier Monaten zum größten ausländischen Investor in Brasilien aufgestiegen. Deutsche Firmen erwirtschaften inzwischen rund zehn Prozent des BIP Brasiliens und geben 250.000 Menschen Arbeit.

Die Gründe liegen auf der Hand: Die Konsumfreude der knapp 200 Millionen Brasilianer hat das Land bisher glimpflich durch die Wirtschaftskrise kommen lassen. VW zum Beispiel verkauft in Brasilien mehr Autos als in Deutschland. Die Wolfsburger gehörten zu den Ersten, die in dem Riesenland investierten. Nur 14,3 Prozent des BIP resultieren aus dem Export. Keine brasilianische Bank war vom Wall-Street-Crash betroffen und der Staat hat hohe Devisen-Reserven angesammelt.

Die Schattenseiten des größten südamerikanischen Landes: Die Kriminalitäts-Rate ist noch immer schwindelerregend hoch – und die Aufklärungsrate z. B. bei Tötungsdelikten mit nur zwei Prozent (!) lächerlich niedrig. Zum Vergleich: In Nürnberg wurden letztes Jahr bei Mord und Totschlag alle Fälle gelöst!

Politisch präsentiert sich Brasilien als Demokratie, wenn auch als Demokratie besonderen Zuschnitts: Die meisten Politiker verstehen sich als Lobbyisten, unabhängig von der Partei. In der letzten Legislaturperiode haben von 513 Abgeordneten des brasilianischen Parlaments 194 die Fraktion gewechselt!

Trotz dieser Widrigkeiten zeigt sich das Land seit 15 Jahren erstaunlich stabil. Während überall die Wirtschaft schrumpft, plant Brasilien heuer mit einem Prozent Wachstum – nächstes Jahr sollen es schon wieder fünf Prozent sein.

Mit "nur" 12 Millionen Hektolitern ist Petropolis die Nummer drei

Bayerische Unternehmen werden ganz vorne dabeisein, wenn die Konjunktur wieder Fahrt aufnimmt. Zum Beispiel die Firma Krones aus Neutraubling bei Regensburg. Der Weltmarktführer für Getränke-Abfüllanlagen ist seit 1976 im Lande vertreten. Im Provinz-Städtchen Boituva, 115 Kilometer von Sao Paulo entfernt, hat Krones eine wahrhaftige Monster-Anlage hingestellt: Über 120.000 Flaschen befüllen die Krones-Maschinen pro Stunde in der Petropolis-Brauerei. Zurzeit entsteht eine weitere Anlage mit einer Kapazität von 78.000 Flaschen pro Stunde. Petropolis ist mit einem Marktanteil von 9,9 Prozent und einem Ausstoß von 12 Millionen Hektolitern die Nummer drei auf dem brasilianischen Biermarkt. Zum Vergleich: Oettinger, Deutschlands größte Brauerei, kommt auf 6,6 Millionen Hektoliter, die Nürnberger Tucher-Bräu auf 1,1 Millionen Hektoliter. Petropolis braut übrigens nicht nur relativ leichtes Lager-Bier, sondern auch ein Schwarzbier, ein Pils, ein Bockbier mit 6,2 Prozent Alkohol und ein Hefeweizen mit 5,2 Prozent Alkohol. Das Reinheitsgebot ist kein Thema: Aus Kostengründen wird der Braugerste zu 50 Prozent Mais oder Reis untergemischt.

Seit zehn Jahren erst ist der Rosenheimer Antennenbauer Kathrein in Brasilien. Rund 100 Mitarbeiter montieren in Sao Paulo Mobilfunk-Basisstationen, TV-Sendeanlagen, TV-Decoder oder Richtfunk-Antennen. Werksleiter Karl-Heinz Lensing vergibt Aufträge an möglichst viele Zulieferer – damit keiner die Technologie kopieren kann.

Früher wurde in zwei Schichten gearbeitet. Doch in der Krise ist die Produktion auf ein Viertel zurückgefahren. Im vierten Quartal, ist Lensing sicher, werde man aber wieder das alte Niveau erreichen. Mit einem Anteil von 40 Prozent ist Kathrein inzwischen Marktführer in Brasilien, Chile, Kuba, Peru und Kolumbien. Vom ersten Jahr an, darauf ist Lensing stolz, hat seine Fabrik mit Gewinn gewirtschaftet.

Von Anfang an gut im Geschäft ist auch die NürnbergMesse mit ihrer Neuerwerbung NürnbergMesse Brasil (siehe Kasten). „Sie entwickelt sich zum Star unserer internationalen Tochtergesellschaften“, sagt Messe-Chef Diederichs. Immerhin steuert sie mit sieben Millionen Euro knapp die Hälfte zum internationalen Umsatz der NürnbergMesse bei. Bis zum Jahr 2020 soll sich der Umsatz in Brasilien auf 14 Millionen Euro verdoppeln.

Die Nürnberger verfolgen damit konsequent ihr Ziel weiter, in allen Wachstumsmärkten der Welt Fachmessen mit Leit-Charakter zu etablieren. Mit Tochterfirmen in Sao Paulo und Shanghai sind sie bereits in zwei der so genannten BRIC-Staaten – Brasilien, Russland, Indien und China – vertreten. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Diederichs auch in Moskau oder Mumbay ein Band durchschneidet.

Winfried Vennemann

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