Nürnberger Aktien-Guru erklärt Obdachlosen die Börse
Finanz-Genie Wolfgang Gerke hält auf Einladung der „Straßenkreuzer-Uni“ im Dezember einen Vortrag bei der Heilsarmee im Stadtteil Gostenhof
NÜRNBERG Der Aktien-Guru Professor Wolfgang Gerke, der telegene Mann mit der Fliege, hält im Dezember bei der Heilsarmee (Gostenhofer Hauptstraße 47) in der „Straßenkreuzer-Uni“ vor Obdachlosen und armen Menschen einen Vortrag über die Börse und wie sie funktioniert. Das ist kurios – ausgerechnet vor diesem Publikum.
AZ: Professor Gerke, hätte man diesen Menschen nicht vor deren Absturz die Regeln der Börse erklären sollen?
WOLFGANG GERKE: Ja, da musste ich auch schmunzeln, den ein oder anderen hat vielleicht die Börse ruiniert. Das Thema habe nicht ich gewählt, aber ich entziehe mich nicht. Ich glaube aber, es hätte attraktivere Themen gegeben.
Und die wären?
Wir versäumen es schon in der Schule, wichtige alltägliche Dinge zu erklären. Dazu gehört die Börse, aber auch: Wie verhandle ich mit der Bank, wenn ich einen Kredit will? Oder was bedeuten 17 Prozent Überziehungs-Zins tatsächlich? Das sind auch Themen, die diese Menschen interessieren.
Aber immerhin geht’s doch auch bei der Börse ums Geld.
Ich merke, welch großes Problem das Geld für viele Menschen wird. Ich werde oft in der U-Bahn angesprochen, die Menschen erzählen mir von ihren Existenzsorgen, aber auch von ihrer Politikenttäuschung.
Geht’s da auch um die Krise?
Natürlich. Und bei meinem Vortrag werde ich auch erklären, was Häuser in Amerika mit der Bankenpleite in Deutschland zu tun haben.
Das komplexe Thema hat ja tatsächlich noch nicht jeder verstehen können. Haben Sie Berührungsängste, was Ihre neuen Zuhörer angeht?
Nein, überhaupt nicht. Erst neulich bin ich mit einem Straßenkreuzer-Verkäufer ins Plaudern geraten. Auch der stellte mir die Frage, ob es denn so sinnvoll sei, vor seinen Kollegen über die Börse zu reden. Es wird für mich schon etwas anderes sein, als vor Vorständen mittelständischer Unternehmen zu reden.
Werden Sie auch dort Ihre berühmte Fliege tragen?
Natürlich. Ich werde ganz bewusst nicht auf die Fliege verzichten. Ich käme mir vor wie ein Norddeutscher, der sich in Bayern eine Lederhose anzieht – ich fände das komisch und wenig glaubwürdig. sw
Mehr über die Straßenkreuzer-Uni lesen Sie in der Print-Ausgabe Ihrer AZ am Freitag, 8. Oktober
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