Serie

"Nicht Mainstream": Oberfränkische Brauerei setzt sich bewusst gegen "Hype"

Teil 4 der Brauerei-Serie: Eine der ältesten Brauereien Bayerns findet sich in Weißenohe in Oberfranken. Das Gründungsdatum ist allerdings so undurchsichtig wie naturtrübes Radler. Der Chef erzählt von der Geschichte und seinem ungewöhnlichen Erfolgsrezept.
von  Rosemarie Vielreicher
Eine Zeichnung des Klosterareals - mit Verweis auf die Biertradition.
Eine Zeichnung des Klosterareals - mit Verweis auf die Biertradition. © Weißenoher Klosterbrauerei

Haben Sie schon mal vom Örtchen Weißenohe gehört? Die Gemeinde in Oberfranken, gut zwei Stunden von München entfernt, wird zum ersten Mal 806 erwähnt, in einer Urkunde von Karl dem Großen. Damals allerdings noch unter dem Namen "Guizna". So vermerkt es die Gemeinde im Landkreis Forchheim.

Im 11. Jahrhundert wird dort ein kleines Kloster gegründet – und damit hängt wie vielerorts die Brau-Tradition zusammen. Weihenstephan, Weltenburg, Scheyern. Zum Beispiel. Doch bei der Jahreszahl, ab wann denn nun genau in Weißenohe Bier gebraut worden ist, stößt man auf Fragezeichen.

Die Angelegenheit ist ein bisserl so wie naturtrübes Radler – undurchsichtig. Anno 1053 kursiert zum Beispiel in Sachen Klostergründung. Aber mit Fragezeichen. Anno 1058 könnte der Ursprung der Weißenoher Klosterbrauerei gewesen sein. Oder auch nicht. Der heutige Brauerei-Chef Urban Winkler kennt diese Jahreszahl nur zu gut. Sein Kommentar dazu: "Fake Facts konnten sie schon im 14. Jahrhundert."

Weißenoher Klosterbrauerei: Das falsche Datum hält sich hartnäckig

Soll heißen: Um 1050 stimmt nicht, auch wenn es sich über viele Generationen so weitertradiert hat. Ein ganzer Vortrag beschäftigt sich damit, wann und von wem das Kloster gegründet wurde. War es Aribo aus dem Geschlecht der Aribonen oder doch schon früher der Eichstätter Bischof Gebhard (der spätere Papst Viktor II.)?

Salopp zusammengefasst: Um die Position und die Unabhängigkeit des kleinen Klosters zu stärken, wurde wohl am eigenen Alter geschraubt und eine ältere Tradition mit Verbindung zu Eichstätt vertreten. Die historisch stimmigere Annahme ist höchstwahrscheinlich diese: "In Wirklichkeit wurde das Kloster um 1090 vom Pfalzgraf Aribo gestiftet." Eine echte Stiftungsurkunde gebe es allerdings nicht, nur eben eine gefälschte fürs frühere Datum. So erzählt es Winkler der AZ.

Die Historie der bayerischen Brauereien, tja, sie ist dynamisch und nicht immer eindeutig. Die einen (Wildbräu Grafing) sind älter als gedacht, die anderen (Weißenohe) jünger als vielfach angenommen. So oder so:  Weißenohe zählt zu den ältesten Brau-Traditionen in Bayern, wie sie der Brauerbund auf Anfrage der AZ angibt.

Und auch in Winklers Heimat Oberfranken. Insgesamt gibt es allein im Kreis Forchheim 22 noch aktive Brauereien. In ganz Oberfranken sind es 169 (Oberbayern im Vergleich: 134). Das lässt sich aus der kürzlich veröffentlichten Sonderkarte "Brauereien in Bayern" ablesen.

Eine historische Aufnahme zeigt das Kloster, wo schon seit jeher gebraut worden ist.
Eine historische Aufnahme zeigt das Kloster, wo schon seit jeher gebraut worden ist. © Weißenoher Klosterbrauerei

Winkler selbst weiß erst seit 15 Jahren, dass bei der Jahreszahl "schlawinert" wurde. Aber er ist tiefenentspannt und sagt: "40 Jahre hin oder her sind für mich nicht wirklich wichtig."

Seit fast 200 Jahren ist die Brauerei in Familienbesitz

Fakt ist: Die Klosterbrauerei wurde 1803 im Zuge der Säkularisation verstaatlicht. Seit 1827 ist sie in Familienbesitz. Also schon fast 200 Jahre. Das Besondere: "Wir sind mit unserer ganzen Brauerei noch auf dem Gelände des ehemaligen Klosters." Winkler ist mit seiner Frau Katharina die sechste Generation, sein Sohn die siebte. Sein Vater habe ihn frei entscheiden lassen, so handhabt er es auch mit seinem Sohn (wird als Juniorchef auf der Homepage gelistet). Für Winkler senior selbst war klar, dass er weitermacht: "Ich wollte. Das sind meine Wurzeln."

Vincent Winkler, Juniorchef und Braumeister.
Vincent Winkler, Juniorchef und Braumeister. © Weißenoher Klosterbrauerei

Hat die Familie ein Erfolgsrezept? Die trockene Antwort: "Fränkische Dickschädeligkeit gepaart mit einem Hang zum Alternativen." Etwas andersdenkend, so beschreibt er sich selbst. Schon immer.

Der Diplom-Braumeister findet: als kleines Unternehmen dem Mainstream und kurzfristigen Trends hinterherlaufen? Das bringt nichts. Da könne man sowieso nicht mithalten. Deswegen ist sein Credo: "Biertrinkern, die nicht Mainstream haben wollen, mit meinen Produkten eine Alternative bieten."

Bio und Regionalität - so geht das in Oberfranken

Schon seit über zwei Jahrzehnten setzen sie auf Bio und Regionalität. "Wir machen Bio-Bier aus Überzeugung. Ich verstehe regional als: in der Region, aus der Region, für die Region." In der Praxis bedeutet das: "Wir kaufen komplett alle Gersten und Hopfen in Bio-Qualität in einem Radius von 70 Kilometern um die Brauerei." Verarbeitet werden diese Zutaten fürs Bier ebenfalls in der Umgebung. In kleinen Mälzereien, "die es bei uns Gott sei Dank noch gibt". Die "Wertschöpfungskette" – sie ist in Weißenohe gelebt regional.

Die Brauerei befindet sich noch immer auf dem früheren Klostergelände.
Die Brauerei befindet sich noch immer auf dem früheren Klostergelände. © Weißenoher Klosterbrauerei

Alkoholfrei? Deswegen machen sie den Hype nicht mit

Was das Weißenoher Bier zudem besonders mache: das Wasser. "Bei uns in Franken sind die Biere von der Farbe her eher rot, nicht dunkel. Das ist dem Calciumcarbonat im Wasser geschuldet."

Trotzdem bieten sie auch ein Helles in ihrem Sortiment an. Alkoholfrei dagegen nicht. Auf diesen "Hype" – so nennt es Winkler bewusst – springen sie nicht auf. Entgegen Bier-Moden will man sich auf dem – kleiner werdenden - Brauerei-Markt mit Individualität halten. "Wir machen ganzjährig einen anspruchsvollen Doppelbock, der uns in einer Nische hält."

"Ich bin Fan der roten, eleganten Biere"

Was ist sein Lieblingsbier? "Die zwei Halben, die nach zwei Stunden Sandschaufeln kalt im Kühlschrank stehen". Sofort hat man ein Bild und ein Gefühl von Durst im Kopf. Winkler ergänzt seine Bier-Favoriten dann aber doch noch: "Für mich ist es sehr wechselhaft: Ich bin Fan der roten, eleganten Biere. Aufgrund meiner Liebe zum Hopfen bin ich auch Pils-Fan." Was er nicht mag: extrem rauchig, extrem dunkel. "Mit einem Stout können Sie mich über den Berg jagen."

Wer in München auch (mal) ein oberfränkisches Bier möchte: Die Winklers haben einen Online-Shop.

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