„Nicht in Panik verfallen“

NÜRNBERG - Ulrike Mendlik, Geschäftsführerin des Nürnberger Burgtheaters, über ein Vierteljahrhundert Kabarett in der Füll, gestiegene Anforderungen und das finanzielle Überleben.
Die führenden deutschen Kabarettisten und zahllose Nachwuchstalente standen auf der kleinen Bühne in der Füll, seit im September 1984 die erste Spielzeit des Burgtheaters eröffnete. Das Jubiläumsjahr wird in den kommenden Monaten mit hochkarätigen Gastspielen und verlängerten Kabarett-Tagen gefeiert (mehr am 10. September in der AZ).
AZ: Frau Mendlik, gab es 1984 einen Mangel an Kleinkunst?
ULRIKE MENDLIK: Für Kleinkunst gab's damals nicht allzu viel Spielraum. Das Burgtheater entstand in Folge des Bardentreffens, als man merkte, dass in der Stadt etwas los sein kann. So hat sich 1979 der Burgtheaterverein gegründet, um eine Bühne für Kleinkunst zu schaffen. Der Begriff war damals noch sehr weit gefasst und Kabarett ein Programmpunkt unter vielen. Als dem Verein dann die Räume in der Füll angeboten wurden, war das die Initialzündung.
Von mangelndem Spielraum kann heute in Nürnberg keine Rede mehr sein, oder?
Richtig. In den Anfangsjahren haben Kabarett und Comedy — diesen Begriff gab es damals noch gar nicht — ein Nischendasein geführt. Einige Kollegen hatten Bedenken, damit in die Unterhaltungsecke abgeschoben zu werden. Das hat sich grundlegend geändert. Man hat festgestellt, dass man Kabarett nicht als Schenkelklopfen abtun kann. Und seit politisches Kabarett nicht mehr mit dem erhobenen Zeigefinger kommt, findet es auch ein stetig größer werdendes Publikum. Da bauen sich schnell Berührungsängste ab und viele Veranstalter haben inzwischen gemerkt, dass das eine dankbare Branche ist.
Ist der Kuchen noch groß genug ?
Es scheint so. Aber je mehr da mitspielen, desto kleiner werden natürlich die Stücke. Wer in diesem Segment arbeiten will, muss sich positionieren.
Hat sich mit zunehmendem Interesse die Branche professionalisiert?
Auf jeden Fall. Das ging einher mit der steigenden Fernsehpräsenz von Kabarett. Die Ansprüche der Künstler an die Bühnen sind gestiegen und umgekehrt. Vor zehn Jahren war es nicht denkbar, dass ein Kabarettist in der Meistersingerhalle spielt. Solche Entwicklungen fordern natürlich eine gewisse Professionalisierung. Von uns und den Künstlern sind jetzt ganz andere Entscheidungen zu treffen.
Höheren Einnahmechancen bei größeren Hallen steht ein größeres Risiko gegenüber. Wie gehen Sie damit um?
Wir müssen uns natürlich sehr gut überlegen, was wir machen. Eine Meistersingerhalle, die so schlecht verkauft ist, dass nicht einmal die Grundkosten reinkommen, würde uns an den Rand des finanziellen Ruins führen.
Da ist das Burgtheater in den letzten 25 Jahren ja ab und zu gestanden.
Ja, und da werden wir auch immer wieder mal stehen. Im Moment ist es zwar relativ stabil. Dass sich die Wirtschaftskrise auf die Kommunen auswirken wird, haben wir jetzt schon bemerkt. Gerade hat uns der Bezirk den Zuschuss für dieses Jahr um 40 Prozent gekürzt. Damit hatten wir überhaupt nicht gerechnet. Finanzieller Spielraum oder Sicherheit ist eigentlich nie da.
Wie passend ist bei aller Professionalisierung noch die Vereinsstruktur?
Für uns bewährt sie sich. Es gab immer mal Überlegungen, ein neues, größeres Haus zu suchen, aber mit unserer Struktur ist das nicht machbar und nicht vereinbar. Mit unseren 100 Plätzen werden wir nie Einnahmen erzielen, die uns in eine Gewinnzone bringen, das ist aber auch nicht der Anspruch und das Ziel eines Vereins.
Vor welchen Herausforderungen steht das Burgtheater heute?
Die größte Herausforderung ist das Überleben — auch heute noch. Wir müssen abwarten, wie sich die Wirtschaftskrise auswirkten wird, aber wir haben gelernt, nicht in Panik zu verfallen. Daneben wird es spannend sein, zu sehen, wie sich der Nachwuchs im Kabarett entwickeln und sich der Generationenwechsel vollziehen wird. Interview: Ute Maucher