Neues Museum: Irrer Streit um dieses Beuys-Kunstwerk

Die Witwe des umstrittenen Künstler-Stars ließ die Installation „Ausfegen“ verbieten – wegen der Vitrine. Jetzt lagert das 200.000 Euro teure Stück im Keller.
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Das Kunstwerk „Ausfegen“ von Joseph Beuys aus dem Jahr 1972 darf im  Nürnberger Neuen Museum nicht mehr gezeigt werden – wegen seiner Vitrine! Dabei gehörte es dort zu den bekanntesten Attraktionen.
abendzeitung 2 Das Kunstwerk „Ausfegen“ von Joseph Beuys aus dem Jahr 1972 darf im Nürnberger Neuen Museum nicht mehr gezeigt werden – wegen seiner Vitrine! Dabei gehörte es dort zu den bekanntesten Attraktionen.
Joseph Beuys (1921-1986) sorgte schon zu Lebzeiten mit seinen Werken für handfeste Skandale. Auch nach seinem Tod erhitzt die Kunst des Exzentrikers die Gemüter.
dpa 2 Joseph Beuys (1921-1986) sorgte schon zu Lebzeiten mit seinen Werken für handfeste Skandale. Auch nach seinem Tod erhitzt die Kunst des Exzentrikers die Gemüter.

Die Witwe des umstrittenen Künstler-Stars ließ die Installation „Ausfegen“ verbieten – wegen der Vitrine. Jetzt lagert das 200.000 Euro teure Stück im Keller.

NÜRNBERG Gleich zwei Nürnberger Museen sind in einen ziemlich kuriosen Streit involviert! Angezettelt wurde der Zoff von Eva Beuys, der Witwe des umstrittenen Kunst-Stars Joseph Beuys (†1986), der die Parole ausgegeben hatte, dass jeder Mensch ein Künstler ist.

Und darum geht’s: Seit 1999 besitzt und zeigt(e) das Neue Museum als Leihgabe des Berliner Galeristen und Sammlers René Block eine Vitrine mit Straßenbesen und Schnapsflaschen, Pflastersteinen und Papierknäueln – Relikte einer West-Berliner Kunstaktion von Beuys aus dem Jahr 1972 mit dem Titel „Ausfegen“ – eine der Attraktionen des Hauses!

Das „Germanische“ durfte die Leihgabe nicht mehr ausstellen

Für die aktuelle Sonderausstellung „Kunst und Kalter Krieg“ sollte die Müllvitrine beinahe ins Germanische Nationalmuseum. Wenn nicht Eva Beuys am 20.April den Wert des Kunstwerks von etwa 200.000 Euro auf Null herunter gefahren hätte! Ihre Begründung: „Ausfegen“ sei kein echter Beuys, weil Sammler Block den Müll in eine Vitrine gesteckt habe. Das sei eben nicht Beuys’ Idee gewesen.

Zu diesem Zeitpunkt stand der knapp zwei Meter hohe, weiße Holzkasten mit der Glasscheibe davor noch in Los Angeles. Das dortige „County Museum of Art“ war die erste Station von „Kunst und Kalter Krieg“ – jener Großschau, die von Nürnberg im Herbst nach Berlin weiter wandert – vorläufig ohne „Ausfegen“. Denn die Witwe hat das Zeigen verboten. „Mein Mann lässt doch nicht Sachen ausstellen, die er überhaupt nicht gemacht hat. Das Werk wurde weder autorisiert, noch bezahlt.“

Schon vor 20 Jahren hatte es über den Kunst-Müll Streit gegeben. Und Beuys-Freund Block, der die Relikte der Fegerei bei sich in der Galerie eingelagert und dann in die Vitrine umgebettet hatte, argumentierte damals, dass es sich um keine „echte“ Beuys-Vitrine, sondern nur um einen Aufbewahrungsort für Abfall-Material handle. „Ich habe es nie als Vitrine von Beuys bezeichnet“, wird Block zitiert. „Es hieß einfach nur ,Joseph Beuys – Ausfegen’.“ Jetzt beraten Rechtsanwälte, wie dieses Ergebnis von Aktionskunst zu bewerten ist.

Hoffen aufs Einlenken der Künstler-Witwe

Das Neue Museum ist nun in den ganzen Streit mit hineingezogen worden. Und darf aus denselben Gründen auch weitere Arbeiten aus der Sammlung Block, die es bis Januar 2009 gezeigt hat, nicht mehr ausstellen: eine Vitrine mit Filzanzügen und Filzkeilen sowie vier beschriebene Tafeln. Direktorin Angelika Nollert war sogar kurz vor Eröffnung dieser Sonderschau (Titel: „Who killed the Painting“) verboten worden, den begleitenden Katalog in den Buchhandel zu bringen. Das ist so absurd wie manches in der zeitgenössischen Kunst.

„Wir waren damals völlig baff“, gibt Kurator Thomas Heyden zu. Unzählige Male war das „Werk von zentraler Bedeutung“ (weil sich darin Beuys’ Haltung gegen linke Gruppierungen manifestiere) bereits an die „renommiertesten“ Institutionen verliehen worden. Nun wurden die Arbeiten aus dem Verkehr gezogen und ruhen im Keller. Den Wert des Kunst-Mülls insgesamt sieht Heyden nicht in Gefahr. Schließlich gehe es nur um die Vitrine.

Das Neue Museum als Besitzer der Dauerleihgaben sieht sich in dem Kultur-Drama als „völlig unschuldig“, „neutral“ und „leidtragend“. Als „Lösungsmöglichkeit“ sieht Thomas Heyden nur, dass sich Eva Beuys und René Block bald auf eine „verbindliche Präsentation“ einigen. Es ist eben doch nicht jeder Mensch ein Künstler.

Andreas Radlmaier

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